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Vladimir Jurowski ist seit 2017 Chefdirigent des Rundfunk-Sinfonieorchesters Berlin

© Peter Meisel

Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin: Hurra, wir werden 100!

Zusammen mit Chefdirigent Vladimir Jurowski will das Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin in der nächsten Saison sein 100. Gründungsjubiläum auf ganz besondere Weise feiern.

Alles begann mit Otto Urack. Der 1884 geborene Berliner hatte als Cellist, Pianist, Dirigent und Komponist in seiner Heimatstadt wie auch in den USA Karriere gemacht. Vor allem aber ging er in die Geschichte ein als erster Musiker, der im deutschen Radio zu hören war.

Am 29. Oktober 1923 spielte Urack bei der „Funk-Stunde Berlin“ im neuen Vox-Haus am Potsdamer Platz erst ein paar Cello-Stücke mit Klavierbegleitung, später am Abend dann versammelte er ein 25-köpfiges Musikerensemble um das einzige Sendemikrofon des frisch gegründeten deutschen Rundfunks.

Vladimir Jurowski ist seit 2017 Chefdirigent des Rundfunk-Sinfonieorchesters Berlin.

© Peter Meisel

Dieses „Stunde Null“-Konzert sieht das Rundfunk-Sinfonieorchester als sein Gründungsdatum an, auch wenn sich eine sinfonische Besetzung des „Berliner Funk-Orchesters“ erst im Juni 1925 formierte. Das Jubiläumskonzert am 29. Oktober in der Philharmonie startet mit Fritz Kreislers „Andantino“, das Otto Urack auch vor 100 Jahren an den Anfang gesetzt hatte.

Danach arbeitet sich das RSB zusammen mit seinem Chefdirigenten Vladimir Jurowski durch die Musikgeschichte seit 1923, von Hanns Eisler über Igor Strawinsky und Reiner Bredemeyer bis zu Gernot Adrion, einem komponierenden Bratscher aus den Reihen des RSB, der ein „Festpräludium“ geschrieben hat.

Konzerte für alle

Die Gründung des Rundfunks war eine echte Pioniertat. Der jungen Weimarer Republik ging es schlecht, Hyperinflation herrscht im Land, die Arbeitslosigkeit stieg ins Unermessliche, separatistische Bewegungen riefen im Rheinland und in der Pfalz die Autonomie aus, am 9. November putschte Hitler in München. Der Staat stand 1923 auf der Kippe, und doch gab es Mutige, die an das neue Medium glaubten.

Und an die Demokratisierung der klassischen Musik. Auf diesen Pfaden bewegt sich heute das RSB mit seiner Educationarbeit, den Kita- und Familienkonzerten sowie den Reihen „Konzert für alle“, einem Teilhabeprojekt, das sich an Besucher mit kognitiven Einschränkungen richtet, und „Mensch, Musik“, einem Experimentierfeld für neue Veranstaltungsformate.  

Klangreise durch die Stadt

Auch nach 1945 konnte das RSB kurioserweise weiter im „Haus des Rundfunks“ an der Masurenallee spielen, im britischen Sektor, obwohl die sowjetische Besatzungsmacht das Programm kontrollierte. Als Folge des Kalten Krieges wurde der „Russen-Sender“ 1952 dann aber in den Ostteil verdrängt und bezog in Köpenick das Areal an der Nalepastraße, das die ganze DDR-Zeit hindurch Sendezentrale blieb.

Party in der Nalepastraße

In beiden Funkhäusern will das Rundfunk-Sinfonieorchester in seiner Jubiläumsspielzeit Präsenz zeigen, im RBB-Sendesaal unter anderem mit der deutschen Erstaufführung der Oper „Chief Hijangua“ des namibischen Komponisten Eslon Hindundu, in der Nalepastraße bei einem Festival-Wochenende mit Überraschungsprogramm. Auf eine Reise von der einen Location ganz im Westen zur anderen ganz im Osten begeben sich die Kammermusikprojekte, mit Stationen im Futurium am Hauptbahnhof, in alten Ballhäusern im Wedding und in Neukölln sowie im Humboldt Forum.

Nach den ersten Chefdirigenten Wilhelm Buschkötter und Bruno Seidler-Winkler, deren Namen heute vergessen sind, konnte das Rundfunk-Sinfonieorchester 1932 mit dem blutjungen Eugen Jochum einen Maestro gewinnen, der die Klassikszene über Jahrzehnte prägen sollte. Er blieb allerdings nur zwei Jahre.

Noch kürzer war die Amtszeit von Sergiu Celibidache, der, damals noch Student, 1945 den Dirigierwettbewerb der sowjetischen Besatzungsmacht gewonnen hatte. Bereits 1946 wurde er allerdings als Furtwängler-Ersatz von den Berliner Philharmonikern abgeworben.

Neue Namen, alte Freunde

Zu den vielversprechenden Newcomern, die 2023/24 beim RSB den Taktstock heben werden, gehören der Finne Tarmo Peltokoski und der Tscheche Petr Popelka und die Dirigentinnen Elim Cham und Ruth Reinhard. Unter den Debütanten sind der 79-jährige Peter Eötvös und der 60-jährige Marc Minkowski.   

Mit der Auflösung des Staatsrundfunks der DDR drohte auch das Ende des Orchesters. Erst 1994 konnte es Unterschlupf unter dem Dach der ROC finden, zusammen mit dem Rundfunkchor Berlin, dem Rias Kammerchor und dem Deutschen Symphonie-Orchester.

Ein Glücksfall fürs Orchester war 2001 die Berufung von Marek Janowski zum Chefdirigenten. Sein nicht minder erfolgreicher Nachfolger ist seit 2017 Vladimir Jurowski, geboren in Moskau. So scharf er den Überfall Putins auf die Ukraine verurteilt, in seinen Programmen haben Kompositionen aus beiden Ländern Platz: Von Rachmaninow und vom ukrainischen Nationalkomponisten Borys Ljatoschinskij wird er jeweils die 3. Sinfonie interpretieren, von der Exilrussin Olga Rayeva ein Konzert für Knopfakkordeon und Orchester.

Spannend dürften auch die Jurowski-Abende mit Don Quichotte-Vertonungen vom Barock bis Richard Strauss werden, Bachs h-Moll-Messe sowie eine Kombination von Bruckners Siebter mit dem Orchester für Streichquartett und Orchester von Morton Feldman.

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