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Menschenschmuggel. Szene aus „Breaking Point“ (Michael Curtiz, 1950).

© Arsenal-Kino

McCarthy-Filme im Arsenal-Kino: Rote Angst

„Hollywood Blacklist“: Das Arsenal-Kino erinnert mit einer Filmreihe an die Kommunistenhatz der McCarthy-Ära.

Das Ende ist nah, aber Bangemachen gilt nicht. Ein Prediger hat seine kleine Bühne an einer Straßenecke aufgebaut. Er warnt vor den Sünden der Menschen und vor Gottes Strafgericht. Doch er sagt auch: „Ich kann eine bessere, eine großartige Welt sehen.“ Allerdings ist der Prophet – was für eine Pointe – blind. Als ihm seine Flugblätter, auf denen „Hört auf Gott“ steht, aus der Hand fallen, laufen die Passanten achtlos darüber.

Der Film noir „The Sound of Fury“ spielt in einer heruntergekommenen Welt, aus der es keinen Ausweg gibt. Ein arbeitslos gewordener Familienvater lässt sich mit einem Gangster ein, überfällt einen Laden am Highway und ist bei einer Entführung dabei, die mit einem Mord endet. Den Sound of Fury, den Lärm der Wut, hört er im Gefängnis, das von einem Mob gestürmt wird, um ihn zu lynchen.

„Wir leben in einer Demokratie“, hatte der Sheriff gesagt, „hier ist kein Platz für zügellose Gewalt“. Doch die empörten Kleinstädter lassen sich von ihm nicht stoppen, sie dürsten nach Blut. „The Sound of Fury“, 1950 von Cy Endfield inszeniert, zeichnet ein ähnlich hoffnungsloses Bild von der amerikanischen Gesellschaft wie Abraham Polonskys zwei Jahre zuvor entstandener Thriller „Force of Evil“. Dort treibt die Mafia die New Yorker Wettbanken in den Ruin, und es zeigt sich, dass Kapitalismus nur ein anderes Wort ist für Kriminalität.

Das Ende vieler Karrieren

Die beiden Filme gehören zu den Höhepunkten der Filmreihe „Hollywood Blacklist“, mit der das Arsenal-Kino ab dem 1. September an die Paranoia der Kommunistenhatz in der Traumfabrik erinnert. Weil Cy Endfield vorgeworfen wurde, Kommunist zu sein, konnte er keine Filme in den USA mehr drehen. Endfield musste nach England ausweichen, wo er unter Pseudonym arbeitete und etwa den kolonialen Abenteuerfilm „Zulu“ realisierte. Abraham Polonsky brachte erst 21 Jahre nach „Force of Evil“ wieder einen Film ins Kino, den Western „Tell Them Willie Boy is Here“, ein Triumph in der beginnenden Ära des New Hollywood. Boykottiert wurden auch Schauspieler wie Lloyd Bridges, der Bösewicht in „The Sound of Fury“, oder der „Force of Evil“-Hauptdarsteller Jahn Garfield.

„Sie waren nicht so schlecht wie die Nazis“, hat Bert Brecht sarkastisch über das Komitee für unamerikanische Umtriebe (HUAC) gesagt, das ihn 1947 vorlud. „Die Nazis hätten mich niemals rauchen lassen. In Washington erlaubten sie mir eine Zigarre, und ich benutzte sie, um zwischen ihren Fragen und meinen Antworten Pausen zu schaffen.“ Der Dramatiker verneinte die Frage, ob er jemals Mitglied der Kommunistischen Partei gewesen sei, und verließ alsbald Amerika. So kam er nicht auf die berüchtigte Liste der „Hollywood Ten“, die ihre Aussage verweigerten und dafür zu Gefängnisstrafen verurteilt wurden. Unter ihnen waren der Regisseur Edward Dmytryk und der Drehbuchautor Dalton Trumbo.

Emigration für "Unfreundliche Zeugen"

Ihren Höhepunkt erreichte die antikommunistische Kampagne, nachdem Joseph McCarthy 1953 zum Vorsitzenden des Government Operations Committees aufgestiegen war. Es gab keine offizielle Schwarze Liste, Gerüchte reichten, um von der Arbeit in einem Filmstudio ausgeschlossen zu werden. „Unfriendly witnesses“, unfreundliche Zeugen, wie die Regisseure Joseph Losey und Jules Dassin, die nicht mit dem HUAC kooperieren wollten, emigrierten nach Europa.

Brecht sprach von einer „kalten Hinrichtung“. Als McCarthy seine Ermittlungen auf hochrangige Militärs ausdehnte, geriet er in Misskredit. Die Stimmung kippte, die Repression ließ nach. Ein Signal für das Ende der Sanktionen wurde 1960 mit der Nennung von Dalton Trumbo als Autor von gleich zwei Filmen gesetzt, „Exodus“ und „Spartacus“.

Für den Filmkritiker Hannes Brühwiler, der die Reihe kuratiert hat, haben die „Blacklist“-Filme neue Aktualität gewonnen. Denn unter Donald Trump sind Verschwörungstheorien und Panikmache nach Washington zurückgekehrt. Der Präsidentenberater Newt Gingrich forderte 2016 die Einrichtung eines neuen Komitees für unamerikanische Umtriebe, das sich nun aber statt gegen Kommunisten gegen Muslime richten solle.

Schwarz-weiße Schattenspiele

Gezeigt werden 24 Filme, zeitlich reicht die Spanne von Dorothy Arzners theaterhaftem Provinzdrama „Craig’s Wife“ aus dem Jahr 1936 bis zur Dokumentation „Red Hollywood“ von 1996. Was auffällt, ist der hohe Grad von Realismus, nicht bloß in den schwarz-weißen Schattenspielen von Film noirs wie „Thieves’ Highway“ (Jules Dassin, 1949), „Gun Crazy“ (Joseph H. Lewis, 1950) oder „He Ran All the Way“ (John Berry, 1951), sondern auch im Bergarbeiterstreikfilm „Salt of the Earth“ (Herbert J. Biberman, 1954) oder in Michael Curtiz’ Hemingway-Adaption „The Breaking Point“ (1950), der als sein vielleicht schönster Film gilt.

„Sie trug ein rotes Kleid“ – „War sie Kommunistin?“. In seinem Remake von Fritz Langs Serienmörderthriller „M“ konnte sich Joseph Losey einen Seitenhieb auf die „Red Scare“, Rote Angst, nicht verkneifen. Sein Film spielt auf den Straßen von Los Angeles, der Mörder pfeift seine Todesmelodie nicht bloß. Er ist auch ein passionierter Flötist.

„Hollywood Blacklist“, Arsenal, 1. bis 30. September

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