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Michael Sanderling und das Young Philharmonic Orchestra Jerusalem Weimar.

© Kai Bienert/Young Euro Classic

Auftaktkonzert von Young Euro Classic: Romeo, wo ist dein Feuer?

Unter der Leitung Michael Sanderling spielt das Young Philharmonic Orchestra Jerusalem Weimar zum Auftakt von Young Euro Classic. Leider fehlt das letzte Quäntchen Spannung und Gefühl.

Nachdem die professionell kurz gehaltenen Reden zur Eröffnung beendet sind, erklingt sofort ein ganz neues Stück, entstanden 2015: „Links.Metamorphose“ des Israeli Ziv Cojocaru. Es wird ein starker Beginn für das Festival Young Euro Classic. Die Komposition ruht nie, motivische Zellen verketten sich, durchlaufen Prozesse, ändern dabei ihren Charakter. Glissandi der Streicher schmieren auf und ab, eine chromatisch grundierte Nervosität und Aufregung liegt über allem.

Er wolle, schreibt Cojocaru, menschliche Verbindungen und Beziehungen mit dem Sinfonieorchester darstellen – und damit die Hoffnung ausdrücken, „menschliches Potenzial nicht verkümmern zu lassen, sondern es durch Schaffung so vieler Verbindungen wie möglich zu fördern“. Geschrieben hat er das Stück für ein Ensemble, dem im 50. Jahr der Aufnahme diplomatischer Beziehungen zwischen der Bundesrepublik und Israel besonders viel Aufmerksamkeit zukommt: das Young Philharmonic Orchestra Jerusalem Weimar. Häufig kommt ein dermaßen ambitionierter Anspruch wie der von Cojocaru der Musik nicht gerade zugute, „Links.Metamorphose“ ist jedoch gut anhörbar.

Es fehlt die Begeisterung

Die Reden sind es auch. Der Regierende Bürgermeister freut sich über den Auftritt dieses Orchesters wenige Tage nach der Makkabiade und darüber, „dass es wieder eine Selbstverständlichkeit ist zu sagen: Jüdisches Leben gehört zu unserer Stadt“. Und Willi Steul – Deutschlandradio-Intendant, Festivalpräsident und bei Young Euro Classic immer der unterhaltsamste Redner, rügt gleich mal seinen Kollegen Ulrich Deppendorf, der ihn mit den Worten vorgestellt hatte, dass viele Institutionen eine Präsidenten haben, auch die Fifa: „Dafür, dass du mich mit Sepp Blatter verglichen hast, kaufst du mir nachher ein Bier!“

Ganz so lustig geht’s leider nicht weiter. Multinationale Ensembles zusammenzustellen, ist das eine, sie inspiriert spielen zu lassen, das andere. Und daran hapert’s an diesem Abend. Neben Erfolgskrachern wie der „Dreigroschenoper“ hat Kurt Weill auch Symphonien geschrieben. Doch die Nachwuchsmusiker können mit seiner Zweiten wenig anfangen, obwohl sie mit Michael Sanderling von einem renommierten Dirigenten geführt werden. Was kernig und beherzt angegangen werden müsste, gerät – trotz solistischer Höhepunkte – im Ganzen leidenschaftsfrei, kühl, wie plastikumwickelt. Kern des Problems sind die Pianissimi, von denen es im Largo viele gibt. Gerade wenn die Musik scheinbar nur vor sich hin murmelt, gilt es, die Spannung zu halten. Selbst der fetzige Marsch im Finalsatz wird zur Pflichterfüllung. Es fehlt das letzte Quäntchen Begeisterung für diese Musik.

Anrührendes Spiel mit viel Energie

In Schostakowitschs 1. Cellokonzert reißt Solist Alexey Stadler die Musiker aus dem Schlaf. Berückend, wie er spielt. Weil er mit sämigem, bronzenem Strich in Tiefen der Empfindung hinabsteigt, Seelenzustände auslotet, und dafür nicht mal besonders starken Bogendruck braucht, auch nicht in Passagen, die zu virtuosem Mätzchentum einladen. Es sind Energien, die nach innen gerichtet sind, und das macht sein Spiel so anrührend. Gut zu tun hat auch die Hornistin, die das einzige Blechblasinstrument spielt, das die Partitur vorsieht – und macht ihre Sache hervorragend.

In Tschaikowskys Fantasie-Ouvertüre „Romeo und Julia“ sind die Musiker dann wieder auf sich gestellt, aber der Abend kriegt die Kurve nicht mehr. Die Motive des Liebespaars, der Capulets und Montagues, von Pater Laurentius, sie fließen zäh, träge, nichtssagend dahin. Gerade in den Streichern atmet es nicht, und das Fortissimo wirkt entsprechend aufgesetzt und rumpelig, weil nicht empfunden.

Der Pfropfen will sich erst ganz zum Schluss lösen, in den letzten Minuten, vor allem in der Polonaise aus Tschaikowskys „Eugen Onegin“, der Zugabe. Schade für den Auftakt, aber das Festival bietet ja noch mehr multinationale Ensembles auf: Am 11. August kommt das EU Youth Orchestra, am 20. August das I, Culture Orchestra, und das Finale bestreitet ein extra für Young Euro Classic neu gebildeter Klangkörper, dessen Mitglieder unter anderem aus der Ukraine und Russland kommen. Er heißt ganz hoffungsfroh: Friedensorchester.

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