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Witzig und sprachgewandt. Die österreichische Schriftstellerin Verena Roßbacher, 39.

©  Joachim Gern/Verlag Kiepenheuer & Witsch

Roman von Verena Roßbacher: Geschichten aus der Zürcher High Society

Eine originelle schweizerisch-österreichisch-amerikanische Koproduktion: Verena Roßbachers Roman „Ich war Diener im Hause Hobbs“.

Den Ball flach halten, möglichst flach, und immer ein bisschen unter seinen Möglichkeiten bleiben, das ist für Christian Kauffmann, von seinen Vorarlberger Freunden Krischi genannt, ein guter Weg, das Leben zu meistern. Bloß nicht auffallen hält er für die beste Methode. Was soll er werden? Butler wäre nicht schlecht. Also lässt er sich auf einer Dienerschule in den Niederlanden ausbilden. Verena Roßbacher, deren Sache bisher gewiss nicht das Understatement war, hat für ihren dritten Roman einen Helden erfunden, der das genaue Gegenteil ihres bisherigen Stils verkörpert. Christians Zürcher Arbeitgeberin gibt ihm gleich zu Beginn den beziehungsreichen Namen Robert, unter dem Vorwand, der Angestellte solle nicht den gleichen Vornamen tragen wie ihr Vater.

Der bescheidene Diener ist der Icherzähler des Romans, ein dezenter, etwas tumber Beobachter, der nicht alles sofort durchschaut, aber ein lebhaftes Parlando beherrscht. So gelingt es der Autorin, ihren zum Manierismus und selbstverliebten Mätzchen neigenden Stil so weit zu zähmen, dass sie ihre Besonderheiten ausspielen kann, ohne sich selbst im Weg zu stehen. Ein echter Coup. Indem sie ihre Geschichte durch das Nadelöhr eines eher schlichten Gemüts schickt, kitzelt sie das Beste aus ihren Fertigkeiten heraus. Denn gute Einfälle hat sie genug, auch Witz, Raffinesse, Sprachgewandtheit. Sie ist eine begnadete Stimmenimitatorin. Anders als in ihren Romanen „Verlangen nach Drachen“ und „Schwätzen und Schlachten“ geht die Sache dieses Mal auf.

Christian Kauffmann, aufgewachsen in Feldkirch, wird zehn Jahre bei der Familie des Zürcher Anwalts Jean-Pierre Hobbs bleiben, viel zu lange, wie er weiß, wenn er mit dem Schreiben beginnt, nachdem er wieder in seinen Vorarlberger Heimatort zurückgekehrt ist. Die 1979 in Bludenz geborene Schriftstellerin platziert ihren Roman im österreichisch-schweizerischen Grenzgebiet. Sie dämpft das Barocke mit einem Schuss Calvinismus und findet einen Stil, der die Bescheidenheit eines Robert Walser mit der Zürcher Lebemann-Atmosphäre eines Martin Suter kombiniert. Das Genre des Goldküsten-Romans mit kriminalistischen Elementen rund um Kunsthandel, Steuerbetrug und Börsenspekulation bedient sie durchaus. Es ist gewissermaßen das Zugpferd, das die Handlung aus den Puschen bringt. Bernadette Hobbs, die zauberhaft entspannte Hausherrin, bekommt wie nebenbei drei Kinder und findet noch genügend Zeit für den ein oder anderen Liebhaber. Kein Wunder bei dem Personal, das sich keineswegs auf die Dienste des Erzählers beschränkt.

Den Schriftsteller John Wray gibt es wirklich

Der zweite Kunstgriff ist die Figur des US-Schriftstellers John Wray, den es wirklich gibt. Er hat 2017 beim Klagenfurter Ingeborg-Bachmann-Wettbewerb den Deutschlandfunkpreis bekommen, jedoch nicht den Hauptpreis, obwohl er Favorit war. Etwas Ähnliches ist Verena Roßbacher 2010 passiert. Sie las beim Wettbewerb und ging leer aus. Die Chuzpe, mit der sie den Kollegen in ihren Roman einbaut (er hat sich, wie man hört, gefreut), ist mehr als ein Gag. John Wray tritt als tragende Figur auf. Er bringt nicht nur Gelassenheit und solidarische Noblesse mit, sondern auch einen weiteren Tonfall in die Stimmenimitationen der Vorarlbergerin: ein etwas antiquiertes österreichisches Deutsch mit amerikanischem Akzent. Roßbachers Roman schlägt viel humoristisches Kapital aus den österreichisch-amerikanischen Dialogen der beiden „verspatzelten“ Freunde, etwa wenn Krischi die saubere Aussprache von Umlauten anmahnt und John prompt kontert, er sei einfach zu „verköpft“.

Der schreibende Butler feudelt und sinniert, er putzt und arrangiert, er hört hin (und tut dabei so, als höre er weg), und er hält sich etwas auf seine Beobachtungsgabe zugute (nicht nur, wenn es um die Temperaturkurve seiner Arbeitgeberin geht, an der er früher als der Gatte erkennt, dass sie wieder schwanger ist).

Am Ende wird es einen Toten geben

Allerdings muss er im Nachhinein feststellen, dass er nicht genau genug beobachtet hat. Er muss mächtig kombinieren. Dabei kommen die Zürcher und die Vorarlberger Protagonisten nicht erst am Schreibtisch zusammen. Bernadette Hobbs wollte unbedingt Krischis Heimatort kennenlernen und brachte seine alte Freundesclique gehörig durcheinander. Und so geht es nicht nur um den Tod von Jean-Pierre Hobbs, nicht nur um die Rolle seines Maler-Bruders Gerome und eine Ménage-à-trois, sondern auch um die verwandtschaftlichen Beziehungen im Heimatort des Erzählers. Die Fotografin Rosl Traxner hat jahrzehntelang alles dokumentiert, was sich rund um den Badesee und den Selbsthilfeverein „DroNeiDa“ („Drogen-Nein-Danke“) zugetragen hat. Am Ende wird es auch in Feldkirch einen Toten geben.

Christian Kauffmann ist nicht nur Diener im Hause Hobbs. Er ist auch Diener der Leserin, die im alltäglichen Familienchaos manchmal von einem Haushalt träumt, der sich als „herrliches Stück Ingenieurskunst“ verstehen lässt. „Stil ist keine Selbstverständlichkeit“, hat er in den Niederlanden gelernt. „Es muss aber so aussehen.“ „Ich war Diener im Hause Hobbs“ ist vergnüglich zu lesen, auf subtile Weise schlau, eine originelle schweizerisch-österreichisch-amerikanische Koproduktion mit Understatement und Esprit.

Verena Roßbacher: Ich war Diener im Hause Hobbs. Roman. Kiepenheuer & Witsch, Köln 2018. 384 Seiten, 22 €.

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