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Die große Dürre

© Jan Woitas/ZB/dpa

Roman „All That’s Left“: Als es auf der Erde zu heiß wurde

Nach der Klimakatastrophe: Sarah Raich beschreibt in ihrem Jugendroman „All That’s Left“ eine Welt, in der die Menschen ums Überleben kämpfen.

Zerstörte Häuser, überflutete Dörfer, weggerissene Brücken, Schutthaufen ohne Ende – die Bilder der verheerenden Flutkatastrophe im Ahrtal haben ihren Platz im kollektiven Gedächtnis längst gefunden, ebenso wie die Bilder der Feuersbrünste in Südeuropa. Was früher gelegentlich geschah, wiederholt sich nun immer häufiger und heftiger, und immer noch wollen viele Menschen nicht wahrhaben, dass diese Katastrophen mit den Veränderungen des Klimas zusammenhängen. Die Uhr tickt, je länger nichts Entscheidendes getan wird, desto gravierender werden die Folgen sein.

Wie das enden kann, wenn niemand etwas tut, beschreibt Sarah Raich in ihrem dystopischen Roman „All That’s Left“, der im Jahr 2059 spielt. Mariana, 15 Jahre alt, erzählt aus ihrer Perspektive den Zusammenbruch der einst geordneten Welt. Der Zusammenbruch von 2057, „war das, als die Schule aufgehört hat? Erst mal auf Zeit und dann einfach für immer? Oder war es, als es keine Nachrichten von der Regierung mehr gab? Oder als die Leichen auf der Straße liegen blieben, weil sie keiner mehr beerdigt hat?“, fragt sich Mariana.

Der Zusammenbruch findet 2057 statt

Die Ich-Perspektive ist die logische Folge der Verhältnisse: Es gibt niemanden mehr, mit dem sie reden könnte. Die Eltern haben das Haus verlassen, erst die Mutter, die es in der Isolation nicht mehr aushielt, dann der Vater, um sie zu suchen. An den Wohlstand und das idyllische Leben ihrer frühen Kindheit kann Mariana sich noch vage erinnern, aber jenseits von Europa und Nordamerika waren die Lebensverhältnisse schon damals katastrophal. „Und jetzt ist halt großer Mist überall“, stellt sie lapidar fest.

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Das Haus hatte der Vater zur autarken Insel ausgebaut, mit Generatoren, Stromversorgung, Schnecken- und Heuschreckenfarm, Internetservern, Fotos, Bildern, Büchern, Filmen, ein krampfhafter Versuch, sich mit Wissen zu versorgen, Pflanzen zu züchten, autark am Leben zu bleiben. Aber die Umwelt draußen wurde immer unfreundlicher und lebensfeindlicher. Die Hitze ist unerträglich. Alles, was früher selbstverständlich war, geht nun nicht mehr. Im Garten Blumen gießen darf man schon lange nicht mehr. „Das war wohl früher so. Man hat einfach Wasser in seinen Garten geschüttet – und gut war. Krass, oder?“

Raich versteht es, aus den Erzählungen des Vaters, an die sich Mariana erinnert, eine noch halbwegs heile Welt entstehen zu lassen, die unter den Bedingungen des Jahres 2059 grotesk wirken muss. Warnungen habe es immer gegeben, aber niemand nahm sie ernst. Raich zwingt die Leser, ihre jetzige Situation und ihr alltägliches Leben zu reflektieren. Bis 2059 sind es noch 38 Jahre. Das ist keine wirkliche Distanz. Sie entspricht dem Blick von heute zurück in die Achtzigerjahre.

Krass: früher hat man Blumen gegossen

Raich lässt Mariana reden, wie ihr der Schnabel gewachsen ist, ihre Sprache ist authentisch, man hört ihr beim Denken zu. Um die Spannung zu erhöhen, lässt die deutsch-österreichische Autorin den Jungen Ali ins hermetisch abgeschlossene Haus eindringen. Er reißt das Mädchen aus seiner Lethargie, die beiden verbringen eine schöne Zeit miteinander, bis Ali wieder verschwindet. Mariana beschließt, ihn zu suchen – er wollte Richtung Italien.

[Sarah Raich: All that’s left. Roman. Piper Verlag, München 2021. 334 Seiten. 16 €. Ab 14 Jahre]

Auf ihrer Reise durch das entvölkerte, trockene und verseuchte Land trifft sie auf merkwürdige Überlebende, die aber keine Sicherheit bieten. Marodierende Banden, die ein Terrorregime über die wenigen Überlebenden ausüben, stellen Mariana auf eine harte Bewährungsprobe. Aber sie ist von dem unbändigen Willen beseelt zu überleben, irgendwie. Raich wird im Jahr 2059 80 Jahre alt sein und hoffentlich noch erleben, ob die Menschheit die Kurve gekriegt oder ob sich ihre düstere Prophezeiung erfüllt hat. Noch ist es nicht zu spät, etwas zu tun.

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