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Michal Matlak arbeitet selber mit Roland-Geräten, wenn er mit "The Analog Roland Orchestra" auftritt.

© privat

Revival von Synthesizer und Drummachine: Alte Kisten mit Persönlichkeit

Alte Synthesizer und Drummachines erleben derzeit ein Comeback. Der Berliner Musiker Michal Matlak spricht über ihren Einfluss, ihre Bedeutung für die Musikwelt und ihre ganz eigene Persönlichkeit.

Acid, House, Techno, alle Spielarten moderner elektronischer Tanzmusik gehen auf Geräte zurück, die die japanische Firma Roland in den siebziger und achtziger Jahren entwickelt hat. Obwohl man heute bequemer mit Computern Musik produzieren kann, benutzen Bands wie Portishead und Technoproduzenten wie Jeff Mills weiter alte Roland-Geräte. Kaum jemand ist so tief in die Welt dieser kleinen und großen Kisten eingetaucht wie der Berliner Michal Matlak. Er tourt unter dem Namen The Analog Roland Orchestra durch die Welt, spielt live in Clubs Techno-Sets ausschließlich mit Roland-Maschinen und veröffentlicht Platten. Jetzt hat er ein Buch über seine große Leidenschaft veröffentlicht: „R is for Roland“.

Herr Matlak, was sind Ihrer Meinung nach die prägendsten Roland-Momente in der Geschichte der Popmusik?
Da gibt es unzählige. Roland hat die Popmusik der letzten 30 Jahre entscheidend mitbestimmt. Man muss nur das Radio oder den Fernseher anschalten, überall hört man Musik, die auf den Klängen von Rolands basiert oder zumindest von ihnen beeinflusst wurde. Zum Beispiel „Sexual Healing“ von Marvin Gaye. Die künstlichen Beats, die man da hört, kommen von der Drummachine TR 808. Oder „Vogue“ von Madonna, da hört man die TR 909. Prägend für Daft Punks Platte „Homework“ ist die Verwendung einer TB 303.

Wann war die große Ära der Geräte?
Von Mitte der Siebziger bis Ende der Achtziger. Eigentlich ging sie bereits Mitte der Achtziger zu Ende. Da galt die Analog-Welt als veraltet.

Aber mit Techno, den man vor allem mit Roland verbindet, ging es doch erst los.
Ja, viele Geräte von Roland wurden erst im Nachhinein zum Erfolg. Der kleine Synthesizer TB 303 kam 1981 auf den Markt und 1983 wurde die Produktion schon wieder eingestellt, weil die Kiste wirtschaftlich ein totaler Flop war. Gedacht war sie eigentlich als Ersatz für einen Bassisten, aber für so etwas gab es gar keinen Markt. Die 303 geriet erst mal in Vergessenheit, bis sie dann um 1984/ 85 wiederentdeckt wurde, weil der Künstler Phuture in Chicago damit den allerersten Acid-House-Track produziert hat. Und dann, als Roland eigentlich schon wieder out war, kam erst der richtige Boom.

Heute spricht man von „Roland-Gold“. Die alten Kisten werden als Sammlerstücke betrachtet, mit denen spekuliert wird. Auf eBay kursieren teilweise atemberaubende Preise. Wann begann diese Entwicklung?
Anfang des Jahrtausends. Diese Maschinen sind ja inzwischen wie Oldtimer, da zählt auch der Zustand. Bei manchen Geräten in gutem Zustand ist es preislich nach oben offen. Dennoch würde ich dafür plädieren, sie immer noch als Musikgeräte zu betrachten und nicht als Aktien. Die sollen keine Wertanlage sein, sondern genutzt werden. Das war ja auch die ursprüngliche Idee von Roland: Synthesizer und andere elektronische Geräte, die vorher noch wahnsinnig teuer waren, billig zur Verfügung zu stellen. Dieser Geist sollte erhalten bleiben.

„We design the future“ lautet bis heute der Werbeslogan von Roland. Aber die Zukunftsvisionen kamen letztlich von den Musikern, die die Geräte auf eine Weise verwendeten, die gar nicht intendiert war.
Das ist richtig. Roland hat, mehr oder weniger unabsichtlich, etwas Neues geschaffen. Wenn man sich die Bedienungsanleitungen zu den Geräten durchliest, steht da etwa: „Rhythmusapparat für Big Band“. Innovative Musiker programmierten dann aus einem vorgegebenen Foxtrott- oder Bossa-Nova-Beat einen Vier-Viertel-Techno-Beat.

Sie selber spielen diese Geräte live, wie ein Dirigent, der ein Orchester leitet. Wie muss man sich diese Konzerte vorstellen?
Ich habe bis zu acht Maschinen auf dem Tisch stehen, die ich mehr oder weniger gleichzeitig bediene. Die Geräte selbst sind wie Klangfarben, man weiß, wenn man diesen oder jenen Regler ein wenig verschiebt, verändert sich die Kolorierung. Ich habe inzwischen eine richtige Beziehung zu meinen Geräten und weiß genau, wie sie reagieren. Allerdings sind sie auch kleine Diven. Meine TB 303 beispielsweise ist ziemlich schwierig, manchmal geht sie einfach so aus. Ich beschimpfe sie dann schon mal.

Sie schimpfen mit Ihren Geräten?
Schon wenn man sie anmacht, merkt man, dass die Kisten leben, das sind richtige Persönlichkeiten. Innen befindet sich Staub, der wird erwärmt, es fängt an, komisch zu riechen. Die Maschinen werden alt und das merkt man ihnen an und trotzdem hängt man an ihnen. Über eine meiner Maschinen scheint mal ein Auto gefahren zu sein, wahrscheinlich ist sie beim Transport aus dem Lieferwagen gefallen, man konnte Reifenspuren auf ihr sehen, als ich sie bekommen habe. Bis heute macht sie immer wieder Probleme, aber für mich ist sie wie so ein Hund mit drei Beinen, man pflegt ihn und mag ihn trotzdem.

Ist das nicht anstrengend, sich ständig mit den Macken der Geräte herumzuplagen?
Als ich damit begonnen habe, mit den Rolands aufzutreten, hatte ich immer einen Lötkolben und einen kleinen Werkzeugkoffer dabei. Inzwischen ist das entspannter. Ich weiß, welche Maschinen zu empfindlich sind, um mit ihnen zu reisen. Die nehme ich jetzt gar nicht mehr mit auf Tour. Wenn dann doch mal irgendwo etwas passieren sollte, klebe ich ein loses Kabel einfach mit einem Kaugummi irgendwo fest. Eine gute Stunde hält das.
Tabita Hub/Michal Matlak: „R is for Roland – Selected Roland Synthesizers and drum machines from 1973 to 1987“. Electronic Beats, 384 S., 54,90 €

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