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René Pollesch, 2020.

© Daniel Karmann/dpa

So macht man Theater kaputt: René Pollesch bricht ein Intendanten-Tabu

Als Chef der Volksbühne ist er kaum im Sattel, schon inszeniert Pollesch lieber woanders. Er sollte sich auf den Erfolg seines Hauses konzentrieren. Ein Kommentar.

Ausfälle, Absagen, das gehört zum Covid-Alltag. Allein das Deutsche Theater muss jetzt wegen Erkrankungen im Ensemble und aus „dispositionellen Gründen“ drei Premieren verschieben, darunter „So billige Träume. Und so gut“ von René Pollesch. Das Stück mit Sophie Rois und Trystan Pütter kommt nicht am 28. Januar zur Uraufführung, sondern erst Ende Juni 2022. Aber halt! Pollesch am DT? Ist der nicht irgendwo auch Intendant?

So sieht es aus. Seit einem halben Jahr versucht sich der Dramatiker und Regisseur an einem Neustart der Volksbühne. Auf dem Spielplan am Rosa-Luxemburg-Platz stehen vor allem Pollesch-Produktionen, alles eher lauwarm und müde. Die Szene reibt sich die Ohren über den Deutschlandfunk-Theaterpodcast, in dem Pollesch zum Beispiel sagt: „Ich weiß gar nicht, was Intendanz heißt, was eigentlich meine Aufgabe wäre. Ich weiß, dass verschiedene Leute am Haus wissen, wie so ein Theater funktioniert. Das sind Leute, die so ein Theater am Leben halten. Ich bin regieführender Intendant und ich schreibe auch – und das werde ich auch weiterhin tun.“

Das ist unverschämt ehrlich. Pollesch interessiert sich nur für Pollesch. In der Vorbereitungszeit der Volksbühnen-Intendanz inszenierte er bereits am Deutschen Theater – als gäbe es keine Konkurrenz in der Theaterstadt Berlin. Als lebte der Betrieb nicht von unterschiedlichen Profilen. Pollesch hat damit kein Problem. Er nimmt der Volksbühne, seinem Haus, das Kultursenator Lederer ihm anvertraut hat, den Wind aus den Segeln, wenn er sich anderswo verausgabt – mal abgesehen vom Inszenierungshonorar, das zusätzlich zum Intendantengehalt anfällt. So macht man Theater kaputt.

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Polleschs Nonchalance ist ohne Beispiel. Frank Castorf wäre nicht auf die Idee gekommen, als frischer Volksbühnen-Chef an einer anderen Berliner Bühne zu arbeiten. Castorf war schon einige Jahre Intendant und sehr erfolgreich, als er am Deutschen Schauspielhaus in Hamburg fremdging, später öfter. Bei Claus Peymann gab es auch das nicht. Der Direktor des Berliner Ensembles hat am Berliner Ensemble inszeniert, nirgendwo sonst. Es ist ein Tabu, dass ein Zirkusdirektor in einem zweiten Zirkus in der Manege steht. Da war Peymann eisern.

Der Regisseur Michael Thalheimer hat an fast allen großen Berliner Häusern gearbeitet. Aber das ist etwas anderes. Thalheimer ist nicht Intendant. Er hat keine Bühne zu führen, trägt keine Verantwortung fürs Ensemble. Wenn es keine Rolle spielt, wer wo was macht, wird es langweilig. Wozu braucht es dann noch die mit vielen Millionen staatlich finanzierten Theater? Im DFB-Pokal ist Derby: Nach der fluiden Pollesch-Praxis würde ein Spieler in der ersten Halbzeit für Hertha, in der zweiten für Union auflaufen.

Rüdiger Schaper

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