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Afzal (Peter Simonischek) will für seine Tochter Mahwish (Irina Sulaver) nur das Beste.

© Reinhard Werner/Burgtheater

Renaissance-Theater: Duell der Werte

Ayad Akhtar „The Who and the What“ ist jetzt wieder am Berliner Renaissance-Theater zu sehen - mit Peter Simonischek als muslimischem Taxiunternehmer.

Darf ein Prophet auch Mensch sein? An dieser Frage zerbricht im Stück „The Who and the What“ eine Familie. Was natürlich kein Wunder ist, schließlich hat vermeintliche Blasphemie noch ganz anderes, weit verheerenderes Brandbeschleuniger-Potenzial. Da genügt ein Blick in die Nachrichten. Aber der Reihe nach.

Der Autor Ayad Akhtar, auch hierzulande berühmt geworden mit seiner politisch geladenen Wohnzimmerschlacht „Geächtet“, erzählt von einer pakistanischen Einwandererfamilie in den USA. Der Vater Afzal hat es vom Taxifahrer zum wohlhabenden Fuhrunternehmer gebracht und legt Wert darauf, dass es seinen beiden Töchtern nach dem Krebstod der Mutter an nichts mangelt. Genau so liegt ihm am Herzen, dass sowohl Zarina als auch Mahwish muslimische Männer heiraten. Bei aller Liebe: bitte kein Christ.

Dating auf muslimlove.com

Die Jüngere, Mahwish, die in Felix Praders „The Who and the What“-Inszenierung von Irina Sulaver gespielt wird, hat ihren Part brav erfüllt (wenngleich ihr Mann ein Schwein ist und sie heimlich einen Fitnesstrainer anhimmelt). Aber die ältere, Zarina (Aenne Schwarz), ist in Vaters Augen schwer unter die Haube zu bringen – weswegen er unter ihrem Namen ein Profil auf der Seite muslimlove.com betreibt und potenzielle Kandidaten selbst in Augenschein nimmt.

Der Clou: Dieses patriarchale Online-Dating führt zum Erfolg. Afzal (Peter Simonischek) verkuppelt Zarina mit Eli (Philipp Hauß), einem braven Konvertiten, der einer Moschee und einer Suppenküche vorsteht. Alles könnte bestens sein – würde nicht Zarina ein Buch schreiben, in dem sie aus feministischer Perspektive das Leben des Propheten beleuchtet und einen Mann voller Widersprüche und weltlicher Gelüste beschreibt. Purer Sprengstoff.

Gott hat keine Brüste

Ayad Akhtars Kunst ist die Balance der Konflikte. Er unterläuft islamophobe Zuschreibungen und kritisiert zugleich als rückständig empfundene Auslegungen des Islam, er zeigt vor allem in der grandiosen Figur des Afzal einen unauflöslichen Widerstreit zwischen Konservatismus und Moderne, Glaube und Liebe. Überhaupt haben alle Figuren ihre Zerrissenheiten und Brüche. Was „The Who and the What“ – als Übernahme vom Burgtheater Wien jetzt wieder am Renaissance-Theater zu sehen – zu einem Fest für Schauspieler:innen macht.

Auf karger Bühne mit ein paar Stühlen vor gespanntem Gebetsteppich (Anja Furthmann) nimmt in Praders Regie ein hoch spannendes Familien- und Werteduell seinen Lauf, bei dem es, wie in der Weltpolitik, um Deutungshoheit geht. „Mir egal, ob es eine Metapher ist“, poltert Afzal einmal, „Gott hat keine Brüste“

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