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Mena Massoud spielt den Dieb Aladdin.

© Daniel Smith/Disney

Remake von "Aladdin": Plötzlich Prinz

Guy Ritchie interpretiert den Disney-Klassiker „Aladdin“ neu - mit Charme, Witz und prima Gesangseinlagen.

Von Jörg Wunder

Die achtziger Jahre waren keine gute Zeit für Disney. Zeichentrickfilme wirkten zwischen Sternenschlachten, Teenager- Komödien und Action-Reißern mit Steroidüberschuss überholt. Das Studio landete diverse Flops, bis virtuos animierte Musicals eine letzte Renaissance des Zeichentrickfilms einleiteten: Von „Arielle, die Meerjungfrau“ (1989) bis „Tarzan“ (1999) gelangen Disney neun Kassenschlager, die den Grundstein für die heutige Marktführerschaft legten.

Diese im kollektiven Gedächtnis einer damaligen Kinder- und heutigen Elterngeneration verankerten Blockbuster sind ein Themenschatz, den die Marketing- Strategen ebenso wie ältere Disney-Klassiker mit den technischen Möglichkeiten von heute noch mal versilbern wollen.

Nach dem Erfolg der Realfilm-Neuauflagen von „The Jungle Book“ (2016) und „Die Schöne und das Biest“ (2017) steht 2019 ganz im Zeichen der Remakes: Zwischen Tim Burtons „Dumbo“, der die kommerziellen Erwartungen nicht erfüllen konnte, und dem im Sommer startenden Remake von „König der Löwen“, des erfolgreichsten Zeichentrickfilms überhaupt, kommt nun Guy Ritchies Interpretation von „Aladdin“ ins Kino.

Unverbrauchte Hauptdarsteller mit welpenhaftem Charme

Die Neuauflage der aus den Märchen von Tausendundeiner Nacht entlehnten Geschichte bietet Disney die Möglichkeit einer Imagekorrektur: Das Original von 1992 wurde für den anarchischen Witz, sein Tempo und die mitreißenden Songs gepriesen. Und ist doch, nicht erst in einem von Diversitätsdebatten geschärften Blick, problematisch: So sind negativ besetzte Figuren durchgehend mit rassistischen Orientklischees charakterisiert, während das Heldenpaar wie aus einer amerikanischen Castingshow ins morgenländische Ambiente gefallen wirkt.

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Zwar gibt es auch in der 2019er-Version karikaturenhaft überzeichnete Charaktere, aber sie sind nicht mehr durch ethnische Stereotypen in Gut und Böse eingeteilt. Mit Mena Massoud als Titelheld und Naomi Scott als Prinzessin Jasmin hat Guy Ritchie – bekannt für seine Gaunerkomödien wie „Snatch“ und seine Sherlock-Holmes-Filme – unverbrauchte Hauptdarsteller gefunden. Ihr welpenhafter Charme trägt den unterhaltsamen, flott inszenierten und sehr amüsanten Film.

Schon bei der ersten Begegnung in den Gassen der Hafenstadt Agrabah verfallen beide einander. Doch der gutherzige Straßendieb ahnt nicht, dass Jasmin die einzige Tochter des Sultans (Navid Negahban) ist. Der sucht zur dynastischen Herrschaftssicherung für sie einen standesgemäßen Gemahl, während sein intriganter Wesir Jafar (Marwan Kenzari) die Macht an sich reißen will. Jafar nutzt Aladdins Not und verspricht ihm die finanziellen Mittel zur Brautwerbung, wenn er aus einer Schatzhöhle eine magische Lampe stiehlt. In der wohnt ein allmächtiger Dschinni, der von Aladdin zufällig befreit wird und ihm drei Wünsche erfüllen muss. Was läge für einen mittellosen Dieb näher, als sich in einen stinkreichen Prinzen verwandeln zu lassen? Dumm, dass Aladdin so genau jene Eigenschaften zu verlieren droht, die Jasmin an ihm liebt.

Will Smith spielt den Dschinni

Wie bei allen Remakes stellt sich beim neuen „Aladdin“ die Frage des cineastischen Mehrwerts. Immerhin bedingt die Verlegung der Geschichte in ein „realistisches“ Szenario mit echten Schauspielern auch gewisse Einschränkungen. So ist die völlig überdrehte Körperkomik des gezeichneten Lampengeists nicht eins zu eins auf den von Will Smith sehr engagiert verkörperten Dschinni übertragbar.

Der kann dafür mit seinem unnachahmlichen Will-Smith-Charme und einer an Hip-Hop-Mogulen wie Puff Daddy orientierten Bling-Bling-Exzentrik punkten. Bei den animalischen Sidekicks, Aladdins cleverem Äffchen und dem sinistren Papagei des Wesirs, zeigt sich die mittlerweile vollendete Kunst der computergenerierten Tieranimation, bei dem anhänglichen fliegenden Teppich das in Disney-Filmen immer wieder gern zelebrierte Überraschungsmoment einer beseelten Dingwelt.

Die Musicalszenen sind opulent inszeniert

Insgesamt ist die Naivität des Zeichentrickfilms wohltuend zugunsten einer erwachseneren Erzählhaltung modernisiert worden, was sich auch in einer Figurenkonstellation niederschlägt, bei der Jasmin nicht nur dekorative Staffage, sondern treibende Kraft und am Ende vollemanzipierte Herrscherin sein darf.

Als Musical braucht sich „Aladdin“ nicht hinter dem Original zu verstecken: Die Gesangs- und Tanzeinlagen der soundtechnisch aufgemotzten Songs sind mit aller gebotenen Opulenz inszeniert. Vor allem das von Will Smith kernig geschmetterte „Prince Ali“ mit dem Einzug des Fantasie-Prinzen samt einem Gefolge aus Musikern, Tänzerinnen, Elefanten stellt jede Superbowl-Choreografie in den Schatten.

In 24 Berliner Kinos. OV im Cinestar Sony Center, Rollberg, Colosseum, Alhambra, UCI Mercedes-Platz

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