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Raimund Girke 1992 in seinem Kölner Atelier in Aktion.

© Martin Mueller / VG Bild-Kunst, Bonn 2020

Raimund Girke in der Galerie Kewenig: Was weiß ich schon

Großer Auftritt für den Maler Raimund Girke, dessen Nachlass ab jetzt von der Galerie Kewenig vertreten wird.

Bloß kein Landschaften. Ein Jahr vor seinem Tod 2002 führt Raimund Girke ein Interview mit dem Kunsthistoriker Dietmar Elger. Und schon in der zweiten Antwort wird der Maler ganz vorsichtig.

Elger spricht von „landschaftlichen Bezügen“, Girke kontert sofort. Erdfarben mögen seine Bilder in den 1950er Jahren schon gewesen sein. Trotzdem habe er nie das Sichtbare gemalt. Sondern nur, was sich weder ertasten noch erfassen ließ: die Wirklichkeit eines autonomen Bildes.

In der Galerie Kewenig breitet sich nun Girkes malerisches Universum in allen Räumen aus. Es gibt kleine Blätter, auf denen er mit Wasserfarbe und Gouache gearbeitet hat. Und ebenso mächtige Ölgemälde, die den mehr oder weniger heftigen Duktus des Künstlers konservieren. Manchmal geben Linien den Rhythmus vor, dann wieder ballt sich das Pigment zu Wolken und liegt wie ein feiner Nebel über dem Bildgrund. Immer aber geht es Girke um die Vielfalt der Beschränkung auf die Nichtfarbe Weiß.

Ihr verlangt der 1930 Geborene, der unter anderem in Berlin an der Kunstakademie als Professor lehrte, alles ab. Weiß muss sich gegen Schwarz oder aber Blau behaupten, das auf Bildern wie „Entschiedene Bewegung“ von 1996 immer wieder nach oben spült. Es muss sich unendlich verdichten, um die ebenfalls helle Leinwand zu überstrahlen.

Es hat Girke zu folgen – seiner dynamischen Bewegung und den plastischen Zeichen, mit denen er die Oberflächen in Schwingungen versetzt. „Die Bewegung beginnt im ganzen Körper“, verrät der Maler im Gespräch mit Elger. Wenn er dann fertig ist, strahlt die Energie seiner vorangegangenen Arbeit idealerweise aus dem Gemälde in den Raum.

Auftakt einer neuen Phase

„Im Rhythmus“, so der Titel der Ausstellung, verkörpert diesen Anspruch nahezu perfekt. Im Rundgang wechseln unruhige Oberflächen mit stillen, monochromen Momenten, bewusste Störungen im ansonsten hyperästhetischen Bild fängt Raimund Girke intuitiv wieder auf. Am Ende wirkt alles organisch.

Es ist der erste Überblick, den die renommierte Galerie auf sein Schaffen ab 1980 gibt, und Auftakt einer neuen Phase: Kewenig, die Künstler wie Sean Scully, Leiko Ikemura oder Imi Knoebel vertreten, betreuen nun auch Girkes Werk. Besser: den Nachlass, als dessen stärkste Stimme seit 2002 die Tochter des Malers, Madeleine Girke, agiert.

[Galerie Kewenig, Brüderstr. 10; bis 7. 11., Di–Sa 11–18 Uhr]

Niemand kennt die Gemälde besser, und noch bis 2017 gab sie Interessierten die Möglichkeit, das Atelier ihres Vaters in Köln zu besuchen. Ein Blick in den Maschinenraum seiner Malerei mit Kolonnen von Pinseln und Pigmenten, die er selbst zu Farbe verarbeitete, um mit den Eigenschaften seines Materials vertraut zu sein.

In den weißen Bildern brodelt es gehörig

Anfang der 80er Jahre ließ sich der Künstler hier nieder, während im Sprengel Museum Hannover, in der Kunsthalle Nürnberg und zuletzt in Cottbus wie Heidenheim große Retrospektiven stattfanden. 1977 war Girke auf der Documenta in Kassel vertreten, 1995 erhielt er den Lovis-Corinth-Preis. Verankert war er anfangs im Informel, der damals dominanten Ausdrucksform.

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Und dennoch ist Girke im Reigen der etablierten Nachkriegsgeneration einer, den es immer noch an die adäquate Stelle zu rücken gilt. Nicht zuletzt museal, weshalb die besten Bilder aus dem Nachlass nur unter Vorbehalt und auf Nachfrage verkäuflich sind.

Dass Raimund Girke die absolute Beschränkung als Mittel völliger Entgrenzung wählte, ist vielen als Prinzip bis heute fremd. Laute, ausdrucksstarke Malerei hat es da leichter. Die jetzige Ausstellung aber vergleicht Girke mit Girke, jede Ablenkung ist ausgeschlossen. Und man kann sagen: Auch in den weißen Bildern brodelt es gehörig unter der Oberfläche.

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