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Standpauke. Der Wirtschaftswissenschaftler Richard (Dietrich Adam) ist angeklagt, eine Hotelangestellte sexuell belästigt zu haben. Seine reiche Gattin (Imogen Kogge) ist inzwischen genervt von seinem ständigen Machtmissbrauch.

©  Barbara Braun/drama-berlin.de

„Präsidenten-Suite“ über sexuelle Gewalt: Das Renaissance-Theater verarbeitet den Fall Dominique Strauss-Kahn

MeToo in Frankreich: Der Ex-IWF-Chef vergewaltigte einst ein Zimmermädchen. Das Renaissance-Theater rollt den Skandal wieder auf, verschenkt aber dessen Brisanz.

Es gibt eine gewaltige Schieflage in diesem Fall, bezüglich Macht, Reputation und Geld. Auf der einen Seite steht eine alleinerziehende Mutter aus Haiti, die als „Zimmermädchen“ im Hotel arbeitet – eine Berufsbezeichnung, der die Geringschätzung schon eingeschrieben ist. Auf der anderen ein Mann aus Frankreich, der einen Ruf als herausragender Wirtschaftswissenschaftler genießt und gerade für das höchste Amt in der Europäischen Union kandidiert. Noch Fragen?

Dieser Richard Feyon Chataigne, der sich für ziemlich unwiderstehlich hält, hat die Hotelangestellte sexuell attackiert und anschließend in den Schrank seiner Suite gesperrt. Eine entsprechende Anzeige liegt vor. Das ist aber vermeintlich kein Drama für den Monsieur und auch nicht der erste Fall, aus dem er sich mit ein paar Schweige-Millionen herauskauft. Wozu hat man eine vermögende Gattin?

„Weißt du, mein Lieber, allmählich wirst du zu einem verdammt teuren Hobby“, ächzt diese Madame entnervt zu Beginn des Dramas „Präsidenten-Suite“. Darin verarbeitet der hierzulande wenig bekannte US-amerikanische Autor John T. Binkley den Skandal um Dominique Strauss-Kahn, der 2011 in New York wegen des Vorwurfs der versuchten Vergewaltigung festgenommen wurde. „Präsidenten-Suite“ hatte seine Premiere bereits 2012 auf dem Fringe Festival in Edinburgh, aber durch die MeToo-Debatte besitzt das Stück neue Aktualität. Das zumindest dürfte man sich am Renaissance-Theater gedacht haben, wo Guntbert Warns die deutschsprachige Erstaufführung inszeniert hat.

Die Figuren sind zu schablonenhaft

Richard Chataigne (Dietrich Adam) plädiert auf „nicht schuldig“, seine Frau – von Imogen Kogge als illusionslose Machtfrau gespielt – weiß es besser. Sie engagiert einen Staranwalt mit dem Raketen-Namen Jordan Pershing (Heikko Deutschmann), der dem Opfer Naomi St. Cloud (Maya Alban-Zapata) drei Millionen Dollar anbieten soll, damit der Fall zu den Akten gelegt werden kann. Allerdings hat auch St. Cloud eine Anwältin, die nicht auf den Kopf gefallen ist. Elizabeth Granger (Johanna Griebel) will den prominenten Schuft nicht so leicht davonkommen lassen – und zaubert eine Lösung aus dem Hut, die erklärt, weshalb Binkley seinem Stück den Zusatz „Ein modernes Märchen“ verpasst hat. Ohne zu viel zu verraten: Dine Utopie für eine bessere Welt ist darin nicht enthalten. Es geht nur darum, Geld mit Geld zu bekämpfen. „Präsidenten-Suite“ verschenkt überhaupt viel von der Brisanz, die dem Thema innewohnt. Die Figuren – die doch der Realität abgeschaut sein sollen – sind einfach zu schablonenhaft hingeworfen. Anwalt Pershing zum Beispiel, der tausend Dollar die Stunde verdient und ein Meister seines Fachs sein soll, wird durch einen simplen Schachzug seiner Kollegin derart außer Gefecht gesetzt, dass er bloß noch sagen kann: „Sie glauben doch nicht allen Ernstes, dass Sie damit durchkommen? Wissen Sie, mit wem Sie es zu tun haben?“ Willkommen im Vorabendfernsehen.

Guntbert Warns hat entsprechend Mühe, diesen flachen Text lebendig auf die Bühne zu bringen. In Verhörboxen, durch Scheiben getrennt (Bühne: Momme Röhrbein) sitzen die Schauspielerinnen und Schauspieler im ersten Teil auf Hockern und ringen mit gestanzten Sätzen. Viel mehr Dynamik kommt auch nach der Pause nicht auf. Die Einzige, die ihren Part mit energetischer Glaubwürdigkeit aufzuladen versteht, ist die tolle Maya Alban-Zapata. Bloß schade, dass der Autor – der behauptet, für die Opfer Partei zu ergreifen – ausgerechnet ihre Figur letztendlich zur Statistin verkommen lässt. An den Machtstrukturen kratzt diese „Präsidenten-Suite“ kein bisschen.

Wieder 11.–13. und 23.–28.10.

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