zum Hauptinhalt
Ensembleszene aus Francis Poulencs „Dialogues des Carmélites“ an der Wiener Staatsoper

© Michael Pöhn

Poulencs „Dialogues des Carmélites“ an der Wiener Staatsoper: Die Revolution frisst ihre Schwestern

Magdalena Fuchsberger inszeniert an der Wiener Staatsoper das Revolutionsdrama „Dialogues des Carmélites“ von Francis Poulenc. Es ist ein Abend der starken Frauen.

Von Laura Luckenbach

Als letzte Premiere der Saison zeigt die Wiener Staatsoper eine zu Unrecht selten gespielt französische Oper – und gleichzeitig ist diese Produktion auch die Erstaufführung der Originalfassung von Francis Poulencs „Dialogues des Carmélites“ im Haus am Ring. Denn nach der deutschsprachigen Aufführung 1959 unter Herbert von Karajan war das Werk in den letzten Jahrzehnten - trotz seiner großen Bedeutung für das Musiktheater des 20. Jahrhunderts - nur an anderen Wiener Bühnen zu erleben.

Die Handlung der Oper beruht auf der historischen Hinrichtung von 16 Nonnen im Paris der französischen Revolution, Grundlage war die Novelle „Die Letzte am Schafott“ von Gertrud von Le Fort. Die fiktive Hauptfigur Blanche flüchtet vor ihren Todesängsten zu den Karmelitinnen. Am Ende wird sie mit den Ordensschwestern, die das Gelübde des Martyrium abgelegt haben, in den gewaltsamen Tod gehen.

Todesahnung tönt aus der Musik

In seiner vielschichtig gestalteten Musik mit Anklängen an Bach, Debussy oder auch den Jazz webt Francis Poulenc von Beginn an musikalisch eine Vorahnung auf die Hinrichtung ein. Mit Bertrand de Billy konnte die Wiener Staatsoper einen Spezialisten für Poulencs Oper gewinnen, der sich mit großer Leidenschaft für dieses Werk einsetzt. Filigran gestaltet er mit den Wiener Philharmonikern die musikalischen Linien aus, folgt Poulencs Wechselspiel zwischen Melancholie, Drama und immer wieder kurzen heiteren Momenten. Die Musik allein ist bereits Trägerin der großen Emotionalität des Werkes.

Einblicke ins Innere des Klosters

In der Regie von Magdalena Fuchsberger wird die Oper vollends zu einem ergreifenden Erlebnis. Der Titel – Gespräche der Karmelitinnen – ist wörtlich zu verstehen. Es herrscht die gesamte Zeit ein reger Austausch zwischen den Nonnen. Das Bühnenbild von Monika Biegler bietet mit dem durchlässigen Holzskelett eines Klosterbaus die Möglichkeit einer ständigen Interaktion sowie paralleler Handlungen. Alle Räume sind jederzeit einsehbar und werden durch die Drehbühne immer wieder in neue Blickwinkel gebracht.

Szene aus Francis Poulencs „Dialogues des Carmélites“ an der Wiener Staatsoper mit Eve-Maud Hubeaux als Novizenmeisterin.

© Michael Pöhn

„Dialogues des Carmélites“ ist eine Oper der großen Frauenstimmen: Nicole Car singt die Blanche mit einem breiten Spektrum an musikalischen Ausdeutungen der Angst, von leise in sich gekehrt bis verzweifelnd aufschreiend. Auch Eve-Maud Hubeaux als strenge Novizenmeisterin und Maria Nazarova als lebensfrohe Schwester Constanze bieten stimmlichen Facettenreichtum.

Die instrumentalen Zwischenspiele tragen die emotionalen Konflikte der Nonnen von Szene zu Szene weiter. Gleichzeitig bieten sich die Gelegenheit, innerhalb der spürbaren Spannung einmal durchzuatmen.

Erst zur letzten Szene verändert sich das Bühnenbild und die kompakte Raumanordnung teilt sich mit einer Brücke in der Mitte. Auf dieser singen die verurteilten Nonnen ergreifend ihr Salve Regina, während mit kräftigen Schlägen aus dem Orchester immer wieder die Guillotine niedersaust. Poulenc hat das kompositorisch einzigartig gelöst: Mit jedem Fall stirbt eine Stimme, bis nur noch Blanche übrigbleibt. Als letzte verklingt auch sie - und mit ihr das gesamte Orchester, bevor sich das Publikum aus seiner Schockstarre in jubelnden Applaus löst.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false