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Konzertkritik: Tindersticks im Postbahnhof

Melancholischer Kammer-Pop an der Grenze zur Weinerlichkeit: Die Tindersticks wurden in den Neunzigern schwer gefeiert. Bei ihrem Konzert im Postbahnhof wurden sie nur gelegentlich energisch.

Erstmal Percussions: Rasseln, Rappeln, Klappern. Tamburin, Bass, Schlagzeug und schrill schräges Dröhnen zweier elektrischer Gitarren. Ein Tenorsaxophon tutet wie ein Nebelhorn. Und dann sind sieben Musiker auf der engen Bühne des Postbahnhofs. Auch im Auditorium ist es drängelig beim großen Empfangsjubel für die Tindersticks. Stewart Staples ergänzt das wüste Tosen mit dem Quäken einer Melodica und lässt dann seine unverwechselbare Stimme mit flatterigen Tremolo in den Saal wehen. Eine Struktur wird erkennbar, ein Lied.

"Falling Down The Mountain" ist der Titelsong vom gerade erschienenen achten Album der Tindersticks, die mit ihrem reizvollen Debüt von 1993 und den folgenden Veröffentlichungen in den Neunzigern schwer gefeiert wurden. "Keep You Beautiful". Melancholischer Kammer-Pop an der Grenze zur Weinerlichkeit. Staples ist ein bisschen älter geworden inzwischen, und die Band ist auch nicht mehr dieselbe von damals, als sie noch öfter mit einem zusätzlichen Streichorchester unterwegs waren. Heute ist alles eine Nummer kleiner als 1999 in der Columbiahalle oder 2001 im Estrel Convention Center.

Klanggebilde werden auf- und wieder abgebaut. Spuren von Folk und Soul. Molliges Moll. Das Saxofon wird zum Cello, zur Klarinette, je nach Bedarf. Triangel-Geplingel, Marimbas, Orgel, Klavier, Akustikgitarre. Doch immer dominierend vorneweg: Staples als grauer Schmerzens- und Leidensmann im grauen Jackett, mit graumelierten Haaren, grauem Teint und grau vibrierendem Bariton. Mit beiden Händen umklammert er das Mikro und geht so nah dran, dass der Gesang verzerrt. "Dying slowly is better than shooting myself". Dramatisch legt er den Kopf in den Nacken, blickt bedeutungsvoll nach oben, mit offenem Mund, auch wenn es nichts zu singen oder sagen gibt. "Thank you", wispert er nach jedem Song, so leise, dass nur ein gehauchtes "Kjuh" übrig bleibt. Es plätschert dahin, klingt alles ziemlich gleich: Tempi, Tonarten, Timbre. "Black Smoke" mit hübschem Motown-Riff, wirkt zur Abwechslung energischer. "It's the wine that makes me sad", singt Staples und ein paar Frauen kreischen verzückt auf. Doch erzeugt eine tiefe Brummelstimme nicht unbedingt auch einen tiefen Ausdruck. Heute wirkt sie überkandidelt, manieriert, unecht. Schade.

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