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Soundcheck Award: Späte Jungs: The Phantom Band

The Phantom Band aus Glasgow, die Sieger des Soundcheck Award von Tagesspiegel und Radioeins, spielen im Lido.

So freuen sich also Phantome. Die Dankesrede fällt aus, lieber huschen die sechs Musiker über die Bühne direkt zu ihren Instrumenten, in den Händen Astraflaschen mit heruntergepellten Etiketten, und erst als Andy Wake hinter seinen Tasten Platz genommen und Duncan Marquiss die Gitarre umgeschnallt hat, wagen beide einen Blick rüber zum Laudator. Ein kurzes Dankeschön, und dann aber ganz schnell: Musik.

The Phantom Band sind würdige Gewinner des ersten Soundcheck Award, schon, weil sie verdeutlichen, was dieser Preis wohl alles nicht ist: Glitzer, Pose, Hype nämlich. Die riesige Diskokugel, die unaufhörlich an der Decke des Lido rotiert, wirkt seltsam fehl am Platz.

„Checkmate Savage“ also heißt das beste Album des Jahres. Natürlich nur in einer Welt, in der das beste nicht automatisch das bestverkaufte ist. Lady Gaga und Depeche Mode werden erst am Donnerstag geehrt, da ist wieder „Echo“.

Der Soundcheck Award, gestiftet von Tagesspiegel und Radio Eins, ist der Preis der gleichnamigen Kritikerrunde, in der jeden Freitag die Neuerscheinungen der Woche diskutiert und in aller Regel nicht einstimmig als Hit besprochen werden. Von 200 Alben des vorigen Jahres schafften es gerade 16 auf die Shortlist. Am Ende setzten sich die Schotten durch, weil die Jury in ihrem Debüt ein „futuristisches Manifest“ erkannte, das durch die Verdichtung verschiedenster Einflüsse von Krautrock bis Elektro von einem freien Geist zeuge, der angesichts der am Boden liegenden Musikindustrie nicht nur hilfreich, sondern gar nötig sei.

Es ist ein verdammt spätes Debüt. Die Mitglieder der Phantom Band sind alle über 30, und es ist gerade ein Jahr her, dass die Band bei einem Konzert in Glasgow im Publikum erstmals Fremde ausmachte, die ihre Songs mitsingen konnten. In dem Alter haben britische Bands in der Regel schon drei Alben veröffentlicht und ihren Hype lange hinter sich. Gewinnerkarrieren sehen anders aus, sagt Tagesspiegel-Redakteur Kai Müller in seiner Laudatio. Die Phantom Band wartet im Backstageraum, in Holzfällerhemden und Ringelshirts, und pellt derweil an Flaschenetiketten.

Ihr erstes Deutschlandkonzert gaben sie im Mai vor nicht mal 50 Zuschauern im Berliner Bang Bang Club, jetzt im Lido hat sich ihr Publikum bereits verzehnfacht. Sie spielen keineswegs wie Phantome. Denn auch, wenn ihre Musik sich Kategorien verweigert: Auf der Bühne entzieht sich die Band nicht, da ist sie präsent. Und auf dem Sprung. Zwar nicht in die Hitparaden, aber hin zu einer noch treibenderen, geschlosseneren Einheit. Die Zugabe gerät zur riffgetriebenen Instrumentalschlacht. Kurz vorher gibt es doch noch eine Art Dankesrede, eine ganz kurze zumindest, in der zwar nicht wie sonst dem Labelchef gedankt wird und allen, die noch an die Band geglaubt haben, aber immerhin und zuallererst dem Techniker, der gerade das Mikro neu ausgerichtet hat.

Nächstes Jahr wird der Award wieder vergeben. Wie schwierig es ist, in die Shortlist 2010 aufgenommen zu werden, kann man im Lido früher am Abend sehen. Da tagt das Soundcheck-Quartett, diesmal vor leibhaftigem Publikum, auf der Bühne sitzt der Radio-Eins-Musikchef neben dem Tagesspiegel-Chefredakteur. Die an diesem Abend vorgestellten Alben werden nicht in die engere Auswahl kommen. Weil Joanna Newson zu gewollt klingt, die Sterne zu egal sind und die Groove Armada eben bloß irgendwie in Ordnung geht. Es scheint, als hätten Waldorf und Statler noch zwei Freunde mitgebracht, nur dass hier jugendlicher Überschwang durchweg begrüßt wird. Als „Bande von Musikjournalisten“ bezeichnet der Laudator die Preis-Initiatoren. Und dass sie sich fast nie einig sind. Da erstaunt es umso mehr, dass sie am Ende eine Band gekürt haben, die sich so wenig in den Vordergrund drängt.

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