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Turbostaat

© Jens Jeske

Die Band Turbostaat: "Husum, verdammt!"

"Leb doch mehr wie Deine Mutter - leb bloß nicht wie ich": Die Songs der Punkband Turbostaat kommen da an, wo es wehtut. Ein Interview mit Sänger Jan Windmeier und Gitarrist Marten Ebsen.

Die ersten Auftritte von Turbostaat waren im Jugendzentrum von Husum. Da fing alles an. Das aktuelle Album heißt "Vormann leiss" – was bedeutet das?

Jan: Vormann leiss ist der Name eines Rettungsschiffes, das in Husum vor Anker liegt. Wer googelt, kriegt das drauf.


Du singst "Husum, verdammt"! Empfindet Ihr eine Art Hassliebe zu dem Ort, an dem Ihr aufgewachsen seid?

Jan: Also, bei mir ist das Hass und Liebe, wenn ich das sing. Da gehen mir genau zwei Dinge durch den Kopf: Einmal, dass es echt nett war und das andere ist, dass ich echt froh bin, dass ich da weg bin!

Marten: Zum einen ist es ein Zitat. Zum anderen richtet es sich gegen die Kleinbürgerlichkeit. Ja. Aber ich würde das nicht mit erhobenem Zeigefinger anschimpfen. Da hab ich nichts von.

"Leb doch mehr wie Deine Mutter – leb bloß nicht wie ich!" lautet eine Textzeile der Single "Harm Rochel". Ist das ein Statement zum herrschenden Generationskonflikt?

Marten: Na ja, die meisten Leute hatten ja Väter, die nicht so grandios waren in ihrer Erziehung. Die sich aus dem Staub gemacht haben oder sonst was. Daher kam das. Und nicht nur Väter, die sich aus dem Staub machen, sondern die ganze männliche Erziehung, dieses Abchecken: Schule gut, Noten gut - alles klar. Ist ja häufig so. Die Zeit der liebevollen Väter ist ja immer noch rar. Leider.

Eure Songtexte bringen Kritik an der Gesellschaft kurz und knapp auf den Punkt. Was inspiriert Dich beim Schreiben?

Marten: Man zieht das überall her. Das können ganz banale Dinge sein. Ein Werbespot im Fernsehen zum Beispiel. Wo Du dann anfängst zu denken – halt mal – und dann fängt es an zu rattern.

Jan: Oder einfach das Leben. Mir ging das so. Das Leben hat mich getrieben, einen Text zu schreiben. Da war das Leben schon der Autor.

Marten: Der Punkt ist, wenn wir uns die Generation vor uns anschauen – und wir sind vielleicht wirklich die letzte Generation, die so aufwächst: Du hast einen Beruf gelernt - nehmen wir an, Du warst Bauarbeiter. Dann wusstest Du – ich bin Bauarbeiter. Heute fällt das doch oft weg und damit auch das Selbstverständnis. Für viele Leute, die das so gelernt haben ist das ein Riesenzusammenbruch. Darunter leiden alle, die den Gott Arbeit über all die Jahre angebetet haben. Zu denen gehöre ich ja zum Glück nicht. Ich hab damit kein Problem.

Turbostaat tickt politisch...

Marten: Wir sind natürlich politisch! Gerade auch als Privatpersonen in dem Kontext, dass wir alle in der Band dran glauben, dass alles private politisch ist und damit alles, was Du machst, politisch ist. Wir sind nicht politisch organisiert, so wie früher in der Antifa, aber natürlich denken wir politisch und haben so unsere Ansichten.

Was sind denn so Eure Ansichten - wenn es um Politik geht?

Jan: Na ja, also ich glaube, das Bush-Thema ist jetzt schon häufig besprochen worden. Da ist sich jeder intelligent denkende Mensch einig und schüttelt den Kopf. Wie bei so vielen Sachen. Was mich persönlich im Moment tierisch nervt, ist diese allgemeine Gleichgültigkeit zu vielen Dingen.

Was zum Beispiel?

Jan: Also ich verdiene meine Brötchen noch in einem Job, wo man viel mit  jüngeren Menschen zu tun hat. Ich möchte nicht sagen, dass es nur ein Problem der Jugend ist. Aber ich arbeite in einem Kinderheim und betreue dort Jugendliche. Und es ist schon erschreckend, wie gleichgültig da mit allem umgegangen wird.

Ihr singt „Die Richter irren“ – Wer sind die Richter? Die Medien, die Masse, die Desorientierten?

Jan: Jeder, der meint zu wissen, wie es funktioniert. Jeder kann sich irren. Wir nutzen die Medien ja auch. Jetzt mit der neuen Platte besonders. Das ist für uns ja auch ein bisschen neu, dass man so häufig ins Separee gebeten wird und interessierte Fragen gestellt bekommt. Ich finde es super, wenn man über Medien Menschen erreicht und die was entdecken, was sie vorher nicht kannten und was für sich mitnehmen.

Ihr beschäftigt Euch mit dem Thema Tod in Eurer Musik. Warum treibt Euch das um?

Marten: In den letzten Jahren hat das tatsächlich zugenommen, dass Leute einfach mal so sterben. Freunde, Bekannte, Familienmitglieder. Das wird ja immer mehr mit der Zeit. Das ist noch nicht so, dass wir uns nur noch bei Beerdigungen treffen, aber es wird doch mehr.

Jan: Das würde ich auch gerne vermeiden, wenn das irgendwie hinhaut.

Marten: Och, das kann ganz schön sein! Meine Oma hat immer gesagt: Wir kommen gerade von der Beerdigung, was haben wir gelacht.

Jan: Ja schön. Vielleicht ist das auch im Alter dann so.

Jan kann ganz schön brüllen. Die Songs springen einem förmlich ins Gesicht. Da ist Punk drin. Dabei
seht Ihr wie "total nette" Jungs aus.

Marten: Bei mir hat sich das am Anfang schon über die Klamotten definiert. Aber jetzt zählt das nicht mehr. Wir haben früher in kleinen Läden, im Jugendzentrum oder besetzten Häusern gespielt. Das machen wir auch heute noch. Nur weil ich jetzt keine bunten Haare mehr hab, hat sich meine Meinung nicht verändert. Dementsprechend selten reden wir über unsere Werte – weil für uns ist das völlig klar. Weil wir wissen, wo wir herkommen und weil wir wissen, wer wir sind.

Ihr habt ein ordentliches Pensum abgeliefert. Wie viele Konzerte habt Ihr gespielt?

Marten: Das waren schon ganz schön viele! Wenn man das auf das Jahr verteilt sieht, ging es. Aber in den letzten Monaten? Vielleicht fünfzig?

Jan: Jetzt, als die Platte draußen war, waren es wirklich einige. Ich habe das nicht gezählt. Das war aber ne Menge!

Gibt es Turbostaat auch noch in zehn Jahren?

Jan: Wenn wir das in zehn Jahren noch mit dem gleichen Elan machen könnten, wäre das super. Das wäre Hammer. Ich wünsche mir einfach nur, dass ich den Typen, mit denen ich hier sitze, auch in zehn Jahren noch in die Augen schauen kann. Ob es mit Musik machen ist oder nicht – das weiß ich nicht. Das stimmt halt alles noch.

Marten: Halbwegs zumindest!

Was verbindet Euch mit Bands, die Ihr gut findet – wie den "Beatsteaks"
?

Marten: Mit den Beatsteaks sind wir befreundet.

Jan: Obwohl ich auch geil finde, wie die das angehen. Wie das gewachsen ist. Wie die aus ihrem Freundeskreis immer wieder Leute dazuholen und jetzt die dicken Hallen spielen können. Für alle eine gute Zeit machen – da läuft alles über eine freundschaftliche Ebene. Das ist schon der Hammer – wie die das machen.

Habt Ihr ein Motto für das kommende Jahr?

Marten: Mal schauen! Das ist bisher in jedem Jahr unser Motto gewesen. Wir haben wirklich nie was geplant. Es kam was auf den Tisch, dann haben wir entschieden, ob wir das machen oder nicht und das werden wir, glaube ich, auch in zehn Jahren noch so machen.

Jan: Mal schauen! Das ist eigentlich ein ganz gutes Motto!

Marten: Was willste denn machen? Das nutzt doch nix!

Seid Ihr stolz, wenn Ihr auf das vergangene Jahr zurückblickt?

Marten: Stolz ist das falsche Wort. Aber glücklich bin ich schon. Für mich ist wichtig, dass ich meine eigene Befriedigung aus Sachen ziehe. Das läuft weniger darüber, wie viele Leute die Platte kaufen oder wie viele auf die Konzerte kommen. Wobei es natürlich schön ist, wenn viele Leute zu den Konzerten kommen.

Jan: Also stolz ist meine Mutter - mittlerweile.  Die konnte erst überhaupt nichts damit anfangen und hat dann alles im Internet verfolgt. Am Samstag spielen wir in Husum – dort wo alles begann – und da wird sie sich dann zum ersten Mal ein Konzert von uns ansehen. Sie ruft mich im Moment ständig an.

... Mütter ...

Jan: Ich bin einfach nur froh, dass man nicht mehr in Husum rumhängt und nichts vorhat. Sondern, dass man mit seiner Zeit was anfängt. Wenn andere Leute dabei auch noch eine gute Zeit haben, ist das natürlich super. Ich bin froh über das, wie es gekommen ist.

Vielen Dank!

Das Interview führte Diana Maier.


ZUR BAND:

Turbostaat sind Jan Windmeier (Gesang), Rotze Santos (Gitarre), Tobert Knopp (Bass), Peter Carstens (Schlagzeug), Marten Ebsen (Gitarre).  In Husum wurde die Band 1999 gegründet. Das Jugendzentrum "Speicher" war der Ort ihrer ersten Konzerte. Heute leben die Musiker in Hamburg und Flensburg und machen hypnotischen Punk mit deutschen Texten. Die LP "Vormann leiss" ist ihr drittes Album. Mit der Berliner Band "Beatsteaks" nahmen sie den Song "Frieda Und Die Bomben" auf. Mehr unter www.turbostaat.de

Diana Maier

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