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Seit 21 Jahren zusammen. Thomas D., Smudo, Michi Beck und And.Ypsilon sind Die Fantastischen Vier.

© Andreas "Bär" Lasker

Hip-Hop: Die Fantastischen Vier - Destination Bauchnabel

Sie wollen einfach nicht erwachsen werden: das achte Album der Fantastischen Vier.

Von Jörg Wunder

Gladiatoren stellt man sich anders vor. Die vier Herren mittleren Alters, die sich bei der Präsentation ihrer neuen Platte auf einer Ledercouch im Penthouse eines Berliner Designerhotels lümmeln, strahlen so gar nichts Kriegerisches aus. Und doch lassen Die Fantastischen Vier nicht nur die abendliche Hörprobe, sondern auch ihr achtes Studioalbum „Für Dich immer noch Fanta Sie“ mit „Wie Gladiatoren“ beginnen, einem kämpferischen Bekenntnis zu ihrer exponierten Stellung im nationalen Pop-Business, dessen Sounddesign neben einem wuchtigen Kesselpauken-Beat von Marschtrommeln, einem Antiken-Chor und einem Spielmannszug bestimmt wird: „Wir betreten die Arena – das wird kein Zuckerschlecken / Nur der geringste Fehler und schon kannst du’s vergessen / Doch wir gehen nicht in Deckung. Wir wollen uns nicht verstecken. / Wir sind dafür geboren, wie Gladiatoren.“

Wenige deutsche Bands mussten in ihrer Karriere so viel Kritik einstecken wie das Quartett aus Stuttgart. Schon in den späten Achtzigern rappten sie auf Deutsch, als sich einheimische Hip-Hop- Acts sprachlich noch an den amerikanischen Vorbildern abarbeiteten. Dann waren ihre Texte zu albern für die humorlose Szene. Und natürlich wurde ihnen ihr Erfolg geneidet: Als sie mit Singles wie „Die da“ oder „Sie ist weg“ die Charts aufmischten und mit Auszeichnungen überschüttet wurden, dümpelte die Konkurrenz noch im Untergrund und war glücklich über ein wenig Radio-Airplay. Ganz zu schweigen von der Tatsache, dass sie es nicht nötig hatten, sich in irgendwelchen Rap-Wettbewerben dem Nachwuchs zu stellen, der es den Wichtigheimern aus Benztown nur zu gern mal so richtig gezeigt hätte.

Der Gegenwind hat die Fanta 4 zusammengeschweißt. Seit 21 Jahren arbeitet man in der gleichen Besetzung: Von Smudo, Thomas D, Michi Beck und And.Ypsilon wohnt zwar nur noch Letzterer in der alten Heimat Stuttgart, doch bei Tourneen und Plattenaufnahmen wird der Geist der unzertrennlichen Jungscombo beschworen. Seit dem letzten Album „Fornika“ haben alle die Grenze zum fünften Lebensjahrzehnt überschritten. Was die Frage aufwirft, ob sich die Fortysomethings immer noch als Protagonisten einer ehemaligen Jugendkultur gebärden können.

Ihr Auftreten bei der Albumpräsentation ist auch eine Antwort. Mit sympathischer Nervosität, die man von Routiniers ihres Kalibers nicht erwartet hätte, harren die vier der Reaktionen. Entspannen sich nach dem erlösenden Beifall, erzählen Anekdoten zu den Songs. Der etwas angestrengte Weltrettungskontext von „Die Lösung“ fußt auf einer Szene aus Monty Pythons „Ritter der Kokosnuss“? Man hört den Song gleich noch mal so gern. Der furiose Ragtime-Gospel- Techno-Höllenritt „Smudo in Zukunft“ reflektiert ein Wortduell mit der schlagfertigen Ehegattin? Da kann man das Temperament der Plaudertasche Smudo besser verstehen. Und wenn Die Fantastischen Vier lebensverändernde Momente, in denen sie sich dem Tod nahe glaubten, zu der bewegenden Elegie „Danke“ verarbeiten, streben sie ganz unbescheiden ein Drama an, dessen Schwere sie mit einem Gesangsbeitrag des Operntenors Marc Marshall unterstreichen – nicht, ohne sich kichernd über die Koinzidenz zu freuen, dass dieser der Sohn des Schlagersängers Tony Marshall ist.

Die eigenwillige Mischung aus berufsjugendlicher Grundhaltung und gleichzeitiger Dauerreflexion dieses Zustandes ermöglicht ihnen eine zugleich distanzierte und emphatische Herangehensweise an ihre Songs. Mit Ausnahme von „Mantra“, der obligatorischen Esoterik-Ballade von Thomas D, bewegen sich alle Stücke auf einem schmalen Grat zwischen ernstem Anliegen und ironischer Überzeichnung. Natürlich ist das Leib- und Magenthema einer selbstreferenziellen Band wie Die Fantastischen Vier ihr eigenes Popstar- Dasein. „Dann mach doch mal“, „Kaputt“ und „Was wollen wir noch mehr?“ thematisieren aus unterschiedlichen Perspektiven die komplexen Abhängigkeitsverhältnisse zwischen Stars, Konkurrenten, Fans und Öffentlichkeit.

Fragt sich, ob diese Problematik noch von Interesse ist. Die früheren Gräben sind längst zugewuchert. Und Stars der nächsten Hip-Hop-Generation wie Peter Fox oder Jan Delay müssen sich an den Fanta Vier nicht mehr messen lassen. So hinterlässt „Für Dich immer noch Fanta Sie“ den Eindruck eines sich selbst genügenden Spätwerks, dessen Reichtum auch musikalischer Natur ist. Hip-Hop ist nur noch die lose Klammer für vielschichtigen, groove-gesättigten Pop, der zwischen Soul, Neuer Deutscher Welle, Discopunk, Rummelplatz-Techno, Krautrock und Gitarrenpop oszilliert.

Als Lebensmodell sind Die Fantastischen Vier ohnehin diskursfähig: Auch wenn alle inzwischen Kinder haben, die auf dem allegorischen Albumcover als sieben Zwerge verewigt sind, verkörpern sie überzeugend die These, dass – Erfolg vorausgesetzt – der Beruf des Popmusikers einer der schönsten Wege ist, niemals erwachsen werden zu müssen.

„Für Dich immer noch Fanta Sie“ ist bei Sony Music erschienen.

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