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Beastie Boys

© Werkmeister

Die Beastie Boys in Berlin: Ab in den Mixer

Die Beastie Boys geben ein explosives Instrumental-Konzert in Berlin.

Es passiert selten, aber wenn es geschieht, weiß man schon nach wenigen Takten, dass einen dieses Konzert wegblasen wird. Das hochtrabend als exklusives „Gala-Event“ angekündigte Konzert der Beastie Boys war so ein Ereignis. Und auch, wenn die Beastie Boys eben die Beastie Boys sind, noch immer eine der großartigsten und unberechenbarsten Bands der Welt, so durfte man nicht gefasst sein auf das, was plötzlich von der Berliner Columbiahalle Besitz ergriff. Ein eruptives, wirbelnd-extatisches Rock-Manifest, bei dem es schwer fiel, auf den Füßen zu bleiben.

Angekündigt hatte das New Yorker Trio, das 1986 mit der Parole „Fight for your right to party“ die ultimative Pubertätshymne geschaffen hat, ein stilles Konzert. Zur Aufführung sollten nämlich die Songs ihres heute erscheinenden siebten Studio-Albums „The Mix-Up“ gelangen. Aber da es sich um eine ausschließlich instrumentale Platte handelt, die den unterkühlten Klang schmieriger Blaxploitation-Soundtracks zitiert und in einen wabernd-psychedelischen Bilderfluss verwandelt, durfte man einen Akt asketischer Selbstversenkung erwarten. Aber nicht das hier. Nicht eine tobende, wild taumelnde Menschenmenge, die von Mike D. eindringlich ermahnt werden muss, sich nicht zu verletzen.

Doch es ist wahrlich zu schon schön. Die Rapper, die 1981 als krachige Punkband begannen, den HipHop von Run DMC als Ausdrucksform weißer Mittelstandskids eroberten, 40 Millionen Alben verkauft haben, mit ihrem Mode- und Lifestyle-Imperium bankrott gingen und in den letzten Jahren auch musikalisch immer schweigsamer wurden, vereinigen für zwei konzentrierte Stunden all das, was sie ausmacht. Da wechseln rasende Up-Tempo-Nummern mit schleppenden Funk-Beats, da kommt in rumpelnden, ermüdend langsamen Breaks die Musik fast zum Erliegen, um im nächsten Moment zu explodieren und in beißende Lärmattacken überzugehen. Gelegentlich fließen Songs wie „B For My Name“, „14th St. Break“ oder „Suco De Tangerina“ vom neuen Album ein. Dann leuchten die perlenden Piano- Glissandi eines Giorgio Moroder oder die funkenstiebenden Gitarren-Riffs eines Isaac-Hayes- Songs auf. Kein Wunder, dass die Beastie Boys, die sich als Sprösslinge der jüdischen Mittelschicht dem betont lässigen Zuhältergehabe der schwarzen Rapper immer näher fühlten als Rock’n’Roll, nun noch weiter zurückgreifen und den trockenen Acid- Soul der Siebziger beackern. Sie tun das mit derselben Vernarrtheit, mit der Filmregisseur Quentin Tarantino den Fundus schwarzer B-Movie-Gesten plündert.

Als Adam „Adrock“ Horovitz an der Gitarre, Bassist Adam „MCA“ Yauch und Schlagzeuger Mike Diamond mit ihren langjährigen Weggefährten Money Mark (Keyboards), Alfredo Ortiz (Percussion) sowie Mixmaster Mike (Turntables) die Bühne betreten, sehen sie wie die Blues Brothers aus – Sonnenbrille, Hut und Anzug haben nicht frühere clowneske Staffagen ersetzt, sie sind eine neue. Eine Irreführung wie so vieles bei den Beastie Boys. Denn nach wenigen Taktschlägen bricht sich schon die fiebrige Aggressivität des B-Boy-Universums Bahn, gerät das Gesittete aus den Fugen. Wobei Yauch mit frostiger Präzision grummelnd verzerrte Bassläufe unter scheppernde Funk- Beats legt, und Horovitz mit pointiert- kreischenden Gitarren-Licks kurze Melodien skizziert. Das Trio schöpft aus einem über Jahre angesammelten Reservoire kleiner Songs, die auf „Check Your Head“ (1992) und „Ill Communication“ (1994) den Wortstrom der Rap-Stücke unterbrochen hatten. Sie strotzten vor historischen Verweisen in Form ausgesuchter Samples. Die fehlen nun. Stattdessen werden die Inspirationsquellen der Fourty- somethings mit den Mitteln einer Rockband aufgelesen und neu interpretiert. Sie werden richtiggehend durchgearbeitet, als müsste man einen Lee-Perry-Song nachspielen können, um ihn zu begreifen.

Tatsächlich haben die Beastie Boys sich die Coolness vergangener Pop-Epochen erschuftet, um die versierten Musiker zu werden, die sie heute sind. So können sie nun auch eigene Hiphop-Hits wie „Do It“, „Shure Shot“, „So What’Cha Want“ oder „Sabotage“ spielen, ohne die Musik – wie üblich – der Maschine zu überlassen.Das Trio Infernale schlägt ein neues Kapitel seiner 25-jährigen Erfolgsgeschichte auf. Indem es immer noch dazulernt.

„The Mix-Up“ erscheint heute bei EMI.

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