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Seit sechs Jahrzehnten wird die Pianistin Mitsuko Uchida schon vom Publikum gefeiert.

© Justin Pumfrey

Pianistin Mitusko Uchida in Berlin: Beethoven als Herausforderung

Die Pianistin Mitsuko Uchida interpretiert die letzten drei Klaviersonaten Beethovens im Kammermusiksaal – auf durchaus überraschende Weise.

Von Keno-David Schüler

Mitsuko Uchida widmet sich im Kammermusiksaal den drei letzten, zwischen 1820 und 1822 entstandenen Klaviersonaten Beethovens. Das unglückliche Label „spät“ haftet den Werken an – und verklebt zuweilen das Verständnis der Trias. Mit der Gefahr, das Feuer eines „Allegro con brio ed appassionato“ zu ersticken, das so lodernd selbst im Frühwerk des Komponisten kaum brennt. Anders als die verinnerlichten Bekenntnisse des späten Johannes Brahms scheint Beethoven in diesen Stücken neben jenseitiger Vergeistigung viel Leben zu suchen.

Kein Geringerer als der Pianist Edwin Fischer hat darum einst den Vergleich mit Skylla und Charybdis benutzt, um den Balanceakt zwischen künstlerischer Selbstdarstellung und der Versteinerung aus Respekt vor dem Notentext zu beschreiben.

Meisterin des Pianissimo

Der große Kritiker Joachim Kaiser hat einmal postuliert, dass große Pianisten ihren Deutungen über die Zeit hinweg erstaunlich treu blieben. An diesem Abend aber überrascht Mitsuko Uchida damit, dass sie nach ihrer Einspielung der drei Sonaten aus dem Jahr 2006 nun im Konzert neue Paradigmen setzt.   Ohne Frage bleibt sie die Meisterin der Piano- und Pianissimo-Sphäre. Sie scheut das Lautstärkespektrum über das Forte hinaus, das eher rund geschliffen als schäumend gelingt, dazu gewohnt dunkel. Auch ihr Konzept der integrierten Oberstimmen, das die Strahlkraft von Soprannoten zugunsten der akkordischen Stütze der Linken zurücknimmt, ist bekannt.

Überraschend hingegen die Zeitgestaltung. Die durchaus harten Kanten der beethovenschen Sätze werden vornehmlich mittels Agogik gezeichnet. Viele Formteile sind quasi improvvisando genommen, nur um an der nächsten Sollbruchstelle streng im Tempo in andersartige Energien zu transformieren. Ist es da schon artifiziell, wenn der zweite Fugeneinsatz in Opus 110 bei erhobenem Zeigefinger der rechten Hand in zackigem Rubato antizipiert wird? Musikalische Bewegungsrichtungen bleiben meist vertikal oder reflexiv.

60
Jahre währt die glanzvolle Karriere von Mitsuko Uchida bereits

Aus Mitsuko Uchidas Spiel spricht eine betont innige Haltung, die grüblerisch die Horizontalität von Phrasen hinter der Erfahrung des Moments zurücktreten lässt. Mit dem Paradigmenwechsel geht der Eindruck des Spielens auf Sicherheit einher. Mitusko Uchida fordert dadurch ein ermüdendes Lauschen ein und bleibt bei sparsamem Klangzauber im Ton unsinnlich geschlossen, akademisch enthaltsam.

Mit ihren 74 Jahren gelingen der Pianistin die Sonaten klavieristisch besser als den meisten mit 24 Jahren, nur eben nicht in „ikonischer“ Unfehlbarkeit. Da ist kaum zu fühlen, dass hier „zitternd oder sicher ein neuer Griff, ein neues Begreifen“ aufginge.

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