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Groß im Kleinformat. Winterliches Motiv von Paul Wolff aus den 30er Jahren.

© Argus Fotokunst

Paul Wolff bei Argus Fotokunst: Für ein sensationelles Foto kletterte er in der „Hindenburg“ herum

Obwohl Autodidakt war er stilistisch seiner Zeit oft voraus. Die Galerie Argus Fotokunst präsentiert historische Aufnahmen vom Bildjournalisten Paul Wolff.

M it einer Leica, die er 1926 auf einer Fotoausstellung gewann, fing es an, mit einem Studio, das zeitweilig bis zu 30 Mitarbeiter beschäftigte, stand die Karriere des Bildjournalisten Paul Wolff Mitte der 1930er Jahre in ihrem Zenit.

Auf „mehrere Hunderttausend“ schätzt Wikipedia die Anzahl seiner Fotografien, mit denen seine gemeinsam mit Alfred Tritschler betriebene Agentur unermüdlich Zeitschriften und Verlage belieferte. Fast alle entstanden mit der handlichen Kleinbildkamera, deren Vorzüge Wolff 1934 in dem Buch „Meine Erfahrungen mit der Leica“ eindrucksvoll beschrieb.

Wolff beherrschte kühne Perspektiven

Der Bestseller erreichte Höchstauflagen und trieb die Verkaufszahlen für den Fotoapparat aus Wetzlar weiter in die Höhe. Viele deutsche Soldaten sollten ihn wenige Jahre später an die Kriegsschauplätze mitnehmen und damit sogar inoffizielle Verbrechen dokumentieren, die später verdrängt wurden.

Aber noch herrscht Frieden. Der 1887 im Elsass geborenen Wolff reist quer durch Europa und bis nach Amerika. Sein Vorzugsland ist Italien, das er nicht nüchtern wie für einen Baedeker abbildet, sondern aus dem Erleben heraus.

Er beherrscht kühne Perspektiven, etwa von oben auf eine von Palmen gesäumte Straße oder schräg von der Seite auf die Stufen des römischen Capitols, über die zwei Damen in Weiß, Models vermutlich, dem unten wartenden Wagen entgegenschweben. Dem Bildschöpfer kam es auf den Gefühlsausdruck an, auf das Verlangen der Leser nach Exotik und Eleganz, Abenteuer, Sport und Natur.

Von Politik versuchte Wolff sich auch unter dem NS-Regime fernzuhalten. Unerschrocken kletterte er dagegen in der „Hindenburg“ herum, bis er den richtigen Aufnahmewinkel fand, um den Schatten des Luftschiffs auf dem Meer darunter mit ins Bild zu bekommen – eine damals sensationelle Aufnahme.

Der Unterschied zu anderen Fotografen der Zeit

Ihn interessierten die Männer, die im Luftschiff arbeiteten, ebenso wie die Stahlwerker an den Hochöfen aber nur statuarisch, ohne Zeit und Interesse für Person und Situation. Das unterscheidet ihn wesentlich von Fotografen wie dem engagierten Walter Ballhause oder von den soziologischen Porträts eines August Sander.

Es gibt kein Stellungnahme – außer der unschlagbaren, auf der Seite des Neuen zu sein, wofür damals, nicht nur in seinem Verständnis, Autobahnen und Luftschiffe standen. Dass auch das gediegene Alte dazugehörte, verstand sich von selbst.

Der Weihnachtsmarkt vor dem Frankfurter Römer ist heute ein Bild, das Nostalgie befördert, nicht minder als viele andere aus einem unzerstörten Land, wie Wolff sie unter anderem für die seinerzeit begehrten Blauen Bücher des Langewiesche Verlags lieferte.

Argus Fotokunst erkannte früh den fotohistorischen Wert

1951 starb Wolff in Frankfurt, ohne in den Nachkriegsjahren noch einmal an die alten Erfolge anknüpfen zu können. Sein Nachlass aber erfreut sich bei Galerien wie Museen wachsender Aufmerksamkeit. Argus Fotokunst erkannte früh den fotohistorischen Wert und zeigte vor 19 Jahren eine erste Auswahl von Arbeiten.

[Galerie Argus Fotokunst, Marienstr. 26; bis 21. Dezember, Mi–Sa 14–18 Uhr]

2004 folgten Ansichten aus Italien und nun die dritte Ausstellung, die ihn als aufmerksamen Flaneur, aber auch im Gefolge von Blossfeldt und Renger-Patzsch als Meister botanischer Studien und Tierfotografie zeigt.

Obwohl Autodidakt war Wolff stilistisch oft auf der Höhe der Zeit oder ihr sogar voraus. So erinnert die „Straßenszene im Schatten“ von 1933 an spätere Aufnahmen von André Kertész aus Paris. Die Preise der Vintageprints liegen kostengünstig zwischen 400 und 1200 Euro.

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