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Eve und Adam: Tilda Swinton und Tom Hiddleston.

© Pandorafilm

“Only Lovers Left Alive”: Die Filmkritik: Wenn Vampire zu sehr lieben

Adam lebt in Detroit und Eve in Tanger – und satt werden sie durch Blutkonserven: "Only Lovers Left Alive" ist ein echter Jarmusch, cool und romantisch.

Haben wir nicht immer gewusst, dass Tilda Swinton eigentlich nicht von dieser Welt ist? Gut, als sie 1994 eine Woche lang in einem Sarg schlief, war das einer Kunstaktion geschuldet. Jetzt hat auch Jim Jarmusch die Darstellerin als Vampir besetzt. Und die Rolle steht ihr samt fast-weißer Fast-Rasta-Perücke so gut, als wäre sie immer schon durch die nächtlichen Gassen von Tanger geschritten. Dabei ist die geheimnisvolle Vampirin nicht selbst auf Pirsch, sondern auf dem Weg zum Café “Mille et une nuits”, wo ihr Hausdealer (John Hurt) mit den Blutkonserven wartet. Der hört nicht zufällig auf den Namen Christopher Marlowe.

Tausende Kilometer entfernt in Detroit haust Eves Geliebter Adam (Tom Hiddleston) in einer  abgeschirmten Villa zwischen Röhrenverstärkern und einer Sammlung historischer E-Gitarren. Auch Adam ist diät-technisch ein moderner Vampir, der der Saugerei (und sonstigem Kontakt mit den sogenannten Zombies) abgeschworen hat und auf Dosenblut-Versorgung setzt. Sonst sind die beiden Unsterblichen - bis auf Eves i-phone - aber ganz old school und haben wie viele ihrer vampirischen Kollegen eine weit innigere Beziehung zum Damals als zum Hier und Jetzt. Ja, die beiden Bohémiens haben höchstselbst an der Kulturgeschichte teilgenommen, was ihre Dialoge mit reichlich amüsanten Anspielungen würzt.

Adam ist Musiker, der hohlwangige Mann im Gruftie-Look spielt diverse Saiteninstrumente und behauptet, Komponist eines Schubert-Adagios zu sein. Doch er leidet so sehr am desolaten Zustand der Welt, dass er bei seinem Adjutanten eine Hartholz-Kugel für den Revolver bestellt. Bei einem Telefongespräch bemerkt Eve diese suizidalen Anwandlungen und bucht einen Nachtflug nach Detroit. Bald kurven die beiden gemeinsam durch die nächtliche Stadt vorbei an Industrieruinen und dem Geburtshaus des Musikers Jack White.

Richtig viel geschieht in “Only Lovers Left Alive” trotz einer Eskapade um Eves nervige kleine Schwester (Mia Wasikowska) nicht. Auch sonst ist der Film ein echter Jarmusch mit somnambuler Musik, die unter anderem von Jozef van Wissem und seiner Laute  kommt. Auch die visuelle Komposition erinnert mit ihren Chiaroscuro-Effekten an Renaissance-Meister. Wenn sich die Kamera anfangs kreisend in die Parallelwelten der beiden Helden eingroovt, ist die Assoziation zur Schallplatte gewollt. Denn Jarmuschs bisher persönlichster Film ist wehmütige Elegie auf das analoge Zeitalter und ebenso ein Menetekel kommender spiritueller und ökologischer Katastrophen. Die Vampire als bedrohte Art: Irgendwann stockt der Nachschub an sauberem Blut, und Eve und Adam taumeln durch Tanger wie heroinsüchtige Hard-Rocker auf Entzug.

Im Unterschied zu den Teenager-Schmonzetten aus dem Hause Stephenie Meyer suchen Jarmuschs Vampire ein erwachsenes Publikum. Vielleicht sollte man sogar über Fünfzig sein, um den heftigen Hauch von Wehmut richtig zu goutieren. Dabei sind es nicht nur Gitarren, Schubert und die fiktive Air Lumière, die den neuen Film direkt an “The Limits of Control” anschließen. Es ist auch der Außenseiterblick auf eine entfremdete Welt, den Jarmusch spätestens seit “Dead Man” in immer neuen Genres durchspielt. In diesem Fall darf man den Titel ganz ernst nehmen - als Vampirstück, vor allem aber als sehr romantische Liebesgeschichte.

In Berlin ab Donnerstag in zehn Kinos. OV im Cinestar SonyCenter;  OmU im FaF, Hackesche Höfe, International, Kant, Kulturbrauerei, Moviemento, Odeon, Rollberg und Yorck

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