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Elnathan John ist zu Gast beim ersten African Book Festival Berlins, das ab 26. April im Kino Babylon stattfindet.

© Alla Sieg

Nigerianischer Autor Elnathan John: Mit Satire gegen Afrika-Klischees

Der nigerianische Autor Elnathan John ärgert sich immer wieder über negative Darstellungen seiner Heimat. Er reagiert mit Humor und einer eigenen Veranstaltungsreihe.

Kurz nach den Naziaufmärschen in Charlottesville erklärt das Auswärtige Amt Nigerias die Südstaaten der USA zur No-Go-Area. Schwarze Menschen seien dort nicht sicher, heißt es in einer Reisewarnung. Es sei schockierend einfach eine Waffe zu kaufen. Regelmäßig fänden Amokläufe statt. Polizeigewalt gegen Schwarze steige seit 2014 rapide an. Patrioten mit Konföderierten-Flaggen patrouillierten die Straßen. Selbst der Präsident hetze offen gegen Ausländer.

„Die Nigerianische Botschaft warnt ihre Bürger: Seien sie besonders vorsichtig an Ampeln, bei Polizeiwagen und in der Gegenwart von Amerikanern, die ihre Kinder nicht impfen lassen. Meiden Sie auch große Versammlungen von Schwarzen. Diese ziehen immer wieder Molotov Cocktails, Tränengas oder mordlustige Nationalisten auf sich.“

Klar, diese Meldung stammt nicht wirklich vom Auswärtigen Amt. „Aber könnte sie es nicht?“, fragt ihr Verfasser, der Satiriker und Schriftsteller Elnathan John. Der Mann aus Nigeria sitzt in einem kleinen Café in Lichtenberg. Er wollte den Spieß umdrehen, erklärt er. Das Gefühl, das er bekomme, wenn er die negativen Darstellungen seiner Heimat lese. Und fügt hinzu: „Ich könnte so ähnlich auch über Lichtenberg schreiben. Hier gibt es auch Gegenden, in die ich mich als Schwarzer nicht traue.“

Statt über seine Literatur zu sprechen, muss er Afrika erklären

Seit zwei Jahren lebt John in Berlin. In der internationalen Literaturszene ist er immer noch bekannter als hierzulande. Sein hochgelobter Debütroman „Geboren an einem Dienstag“ ist vor kurzem bei Wunderhorn erschienen, mittlerweile schreibt er an zwei neuen Büchern. Darüber hinaus veranstaltet John seine eigene Literaturreihe „Elnathan's #BOAT“, die vierteljährlich im Literaturhaus stattfindet. Dazu lädt er Autoren ein, die ihn begeistern. Beim nächsten Mal spricht er mit der preisgekrönten Südafrikanerin Henrietta Rose-Innes.

Das Projekt sei aus der Not entstanden, erzählt der 36-Jährige. Für ihn als nigerianischen Autor sei es fast unmöglich, im deutschsprachigen Raum an einer geistreichen Diskussion über Literatur teilzuhaben. Er habe das bei Podiumsdiskussionen immer wieder erlebt: „Sobald jemand ankündigt, du bist ein afrikanischer Schriftsteller, ist selbst bei avancierten Kritikern plötzlich tabula rasa. Die behandeln dich wie eine National Geographic-Dokumentation.“ Statt über seine Literatur zu sprechen, muss er seine Heimat erklären. Oder gleich den ganzen Kontinent. Je exotischer desto besser. „Neben mir sitzen Autoren aus den USA. Die fragt doch auch keiner: Hey, kannst du uns etwas über amerikanische Pizza erzählen?“

Über die Begeisterung für Lyrik fand er später zur Prosa

John lacht oft, wenn er über Dinge spricht, die ihn aufregen. Auch seine Satire lebt vom doppelten Boden. Sie ist ein realitätsgetränktes Gift in der Zuckerglasur köstlichen Humors. Und er deckt das Buffet für allesamt gleich. Die Mächtigen, die NGOs, die einfachen Leute, seine nigerianische Heimat wie den europäischen Medienzirkus, dessen schizophrenes Afrika-Bild er gern parodiert. In seiner Ratgeber-Glosse gibt er beispielsweise Tipps, wie man sich im Westen den Ruf eines „guten Afrikaners“ erarbeitet. Einer davon geht so: Beim Urlaub in Europa jederzeit das Rückflugticket bei sich tragen, um beweisen zu können, dass man nicht vorhabe, womöglich heimlich einzuwandern.

Dabei fängt alles ganz anders an für den im Norden Nigerias geborenen Sohn einer Kosmetikerin und eines Beamten. Schreiben ist eine Nebengasse, die er langsam entdeckt. Das erste Mal hört er von Literatur kurz vor der Oberstufe. Die Lehrerin trägt den Schülern auf, ein Sonett zu schreiben. „Ich saß da, und dachte: Was zum Teufel ist ein Sonett?“ Über die entstehende Begeisterung für Lyrik findet er Jahre später zur Prosa – eine Verbindung, die man seinem nuancierten Texten heute noch anmerkt. John studiert Jura, arbeitet als Anwalt bei einer NGO. Doch statt zur Verbesserung der Welt beizutragen, geht es vor allem um die Verbesserung des geschäftlichen Bankkontos. John kündigt – das Datum weiß er noch heute ganz genau – und schaut nie wieder zurück. Eine seiner Kurzgeschichten schafft es auf die Shortlist des Caine Prize for African Literature, dem „afrikanischen“ Booker Prize. Später wird er noch einmal nominiert, unter anderem auch für den nationalen Literaturpreis Nigerias.

Schubladen nutzen, damit sie irgendwann nicht mehr existieren

Es ist paradox. Nächste Woche tritt John beim ersten African Book Festival Berlins auf. Die mehrtägige Veranstaltung versteht sich als selbstbewusste Feier von Literatur aus dem afrikanischen Kontext. Abgesehen von ein paar vermarktbaren Weltstars sei im deutschen Mainstream immer noch kaum Platz für Literatur aus Afrika, heißt es. Das solle sich ändern.

Aber steckt man die Autoren nicht wieder in eine Schublade, wenn man ein ausschließlich afrikanisches Literaturfestival veranstaltet? „Natürlich“, antwortet John auf die Frage. „Aber diese Schublade existiert sowieso. Wir nutzen sie jetzt, damit diese Schublade irgendwann nicht mehr existieren muss.“ Sein Traum ist es, dass Romanciers irgendwann gleichberechtigt nebeneinander auf den Literaturbühnen der Welt sitzen, egal woher sie kommen; dass das Sprechen über die Herkunft nur noch eine Ergänzung ist zum Sprechen über das Schreiben als solches, Genre, Stil, Philosophie. Eine Kategorie unter vielen.

„Wir haben noch einen weiten Weg vor uns“, glaubt er. John scheint auf jeden Fall schon zwei Schritte voraus zu sein.

Elnathan John: An einem Dienstag geboren. Roman. Aus dem Englischen von Susann Urban. Wunderhorn Verlag, Heidelberg 2017. 250 S., 24,80 €. Nächste Veranstaltung von „Elnathan’s #BOAT“ am 25. April im Literaturhaus. Elnathan John tritt am 28. April beim African Book Festival im Kino Babylon auf.

Giacomo Maihofer

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