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Die New Yorker Rapperin Nicki Minaj.

© picture alliance / dpa

Nicki Minaj in Berlin: Der Thron der Rap-Königin wackelt

Die New Yorker Rapperin und Sängerin Nicki Minaj gab ein zerfahrenes Konzert in Berlin. Neben vielen Hits gab es zahlreiche zähe Passagen und Pausen.

Ein großes quadratisches Loch klafft in der Bühnenmitte. Unablässig strömt pink angestrahlter Trockeneisnebel hinein, darüber kreisen pink leuchtende Scheinwerfer. Kein Mensch ist zu sehen, zu hören gibt es nur ein wenig Synthesizer-Dräuen und -Zirpen. Rund fünf Minuten geht das so.

Diese gigantische Leerstelle, die sich vor dem Schlussdrittel von Nicki Minajs Konzert in der Berliner Benz-Arena auftut, bringt ihren von Lücken, Löchern und Absenzen geprägten Auftritt so genial auf den Punkt, dass man auf die Idee kommen könnte, es handele sich vielleicht um so etwas wie ein Konzept: Die Inszenierung der Leere als Protest gegen die überspannten Erwartungen an immer überwältigendere Bühnenshows, Momente des Nichts als Gelegenheit für das Publikum über die eigene Nichtigkeit nachzudenken.

Allerdings wird das Angebot eher genutzt, um Smartphones zu checken, Getränke zu holen oder wegzubringen. Eine adäquate Reaktion. Der Nicht-Dramaturgie dieser Show einen tieferen Sinn anzudichten, wäre eindeutig zu viel der Ehre. So bleibt nur Staunen darüber, wie ein Star dieses Formats seinen immer wieder betonten Anspruch, die Königin des Raps zu sein, derartig weit verfehlen kann.

„Queen“ heißt Nicki Minajs im letzten Sommer erschienenes vierten Album. Das Covermotiv, das sie fast nackt zeigt, ziert den zu Beginn fallenden Bühnenvorhang. Auf einem riesigen geflügelten Einhorn wird die 36-Jährige hereingeschoben. Mit Krönchen und Goldkostüm singt sie „Majesty“ – und kommt dabei ungefähr so majestätisch rüber wie eine Karnevalsprinzessin auf einem provinziellen Rosenmontagsumzug.

Diese gleich zum Auftakt gesetzte Trash-Note hält sich den ganzen Abend. Sei es die Chaiselongue oder das Mega-Bett, auf dem sich Minaj räkelt oder die futuristische Kapsel, in der sie einmal steckt – alles sieht ein wenig billig und unterdimensioniert aus für die große Bühne. Auch die lediglich fünf Mitglieder umfassende Tanzgruppe wirkt verloren, produziert keine starken Bilder.

Offenbar hat sich das Orga-Team von Nicki Minajs Welttournee zumindest in Deutschland mit der Hallengröße verschätzt. Schon beim Auftakt in München war die Olympiahalle nur halb gefüllt, die Mercedes-Benz-Arena ist ebenfalls nicht ausverkauft, der obere Rang sogar komplett abgehängt. Doch die Barbz – so nennt Minaj ihre Fans –, die Tickets für 80 Euro gekauft haben, sind topmotiviert, textsicher und bejubeln schon den ersten Mini-Hüftschwung ihres Idols.

Playback und Gastsängerin

Die künstlich ausgebauten Minaj-Kurven einmal live zu sehen, ist tatsächlich beeindruckend. Größeren Bewegungsanstrengungen mag sie sich damit aber nicht aussetzen. Ein bisschen Hin- und Herlaufen, Popo-Wackeln und Twerk-Andeutungen mit zwei Tänzerinnen müssen reichen. Beim Singen dosiert sie ihre Kräfte ebenfalls. Während des quietschigen Dancepop-Teils sowie im Herzschmerz-Balladen-Segment kommt viel Playback zum Einsatz. Auch eine Gastsängerin steht ihr bei den R’n’B-Songs zur Seite, die sie in einer pink-schwarzen Brautkleidkonstruktion mit imkermaskenartigem Schleier zum Besten gibt.

Beim Rappen zeigt die auf Trinidad geborene und in New York aufgewachsene Nicki Minaj dagegen mehr Ehrgeiz. Wenn sie noch einmal ihren fulminanten Gast- Part aus Kanye Wests „Monster“ herausfaucht und neue Stücke wie „Hard White“ oder „Chun-Li“ mit schneidender Schärfe interpretiert, weiß man, weshalb ihr vor bald zehn Jahren der Titel Rap-Königin verliehen wurde und warum sie ihn derzeit so verbissen gegen die zehn Jahre jüngere Cardi B verteidigt. Minajs Berliner Konzert trägt allerdings kaum zur Behauptung des Throns bei, was auch an der übermäßigen Zahl von Coverversionen liegt. Sie hüpft durch ihre Gast-Raps aus Songs von Drake, Big Sean, David Guetta, 6ix9ine und anderen, spielt aber nur fünf Lieder vom „Queen“- Album. Dessen starker Eröffnungssong „Ganja Burns“ ist unverständlicherweise nur als Video zu sehen, während Minaj sich mal wieder umzieht und ihre drei Musiker etwas trinken.

Überlanger Gastauftritt von Juice Wrld

Die längste Pause legt sie in der Mitte des Konzerts ein: Rund 45 Minuten überlässt sie dem nervigen jungen Rapper Juice Wrld und seinem DJ. Ursprünglich war an dieser Stelle ein Auftritt des Cloud-Rap-Stars Future geplant. Für ihn wäre eine derartige Unterbrechung gerechtfertig, so entsteht der Eindruck, als habe sich der Support-Act ins Hauptprogramm verirrt. Wieder Zeit, sich dem Mobiltelefon zuzuwenden.

Es ist schade, dass die 140-minütige Show derart zerfahren daherkommt, denn zwischendrin gelingen Nicki Minaj immer wieder tolle Momente. Etwa wenn sie den Hit „Bed“, bei dem ihr Gaststar Ariana Grande auf der Leinwand zu sehen ist, in deren Reggae-Pop-Stück „Side To Side“ übergehen lässt und damit eine warme Euphoriewelle durch den Saal schickt. Zu einer königlichen Performance addieren sich solche seltenen Highlights allerdings nicht. Und so wackelt Minajs Thron derzeit gewaltig. Da hilft auch kein Einhorn.

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