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Der französische Schriftsteller Hervé Le Tellier

© AFP

"Die Anomalie" auf Platz eins der Bestsellerlisten: Nicht mehr normal

Erstmals seit Michel Houellebecq steht wieder ein Franzose auf Platz 1 der hiesigen Bestsellerlisten: Hervé Le Tellier mit "Die Anomalie". Warum nur?

Der Prix Goncourt ist der bedeutendste Literaturpreis in Frankreich. Er ist vergleichbar mit dem Büchner-Preis hierzulande, was seine Bedeutung anbetrifft, viel mehr aber noch mit dem Deutschen Buchpreis.

Denn der Goncourt wird jedes Jahr im November in Paris nicht für ein Lebenswerk oder bisheriges Gesamtwerk verliehen, sondern für einen Roman, eben den französischen Roman des Jahres. Ein Preisgeld gibt es bis auf einen symbolischen Euro nicht, dafür wird jeder Prix-Goncourt-Roman automatisch zu einem Bestseller.

Vergangenes Jahr erhielt Hervé Le Tellier diesen Preis mit seinem Roman „Die Anomalie“. Dieser erzählt die Geschichte der Passagiere eines Air-France-Fluges nach New York, die in einer seltsamen Zeitverschiebung zweimal an Bord des Flugzeugs sitzen.

Die Resonanz hierzulande nach der Preisverkündung hielt sich in Grenzen, so wie zuvor, als 2019 Jean-Paul Dubois mit „Jeder bewohnt die Welt auf seine Weise“, 2018 Nicolas Mathieu mit „Wie später ihre Kinder“ oder 2017 Eric Vuillard mit „Die Tagesordnung den Prix Goncourt gewannen.

Die Resonanz auf den Prix Goncourt ist in Deutschland gering

An den deutschen Titeln merkt man, dass sie alle übersetzt worden und hierzulande erschienen sind, aber nur ein kleines Publikum interessieren. Bei Le Tellier ist das gerade anders: Er steht seit sechs Wochen in den Top Ten der deutschen Bestsellerlisten, in dieser Woche gar auf eins.

Die Druckauflage habe die 100 000 überstiegen, heißt es bei Rowohlt. Ein literarischer Nummer-eins-Hit aus Frankreich! Das schafft von Le Telliers französischen Kollegen und Kolleginnen gefühlt nur Michel Houellebecq mit seinen Büchern, wenn überhaupt.

Was ist mit Annie Ernaux? Mit Leila Slimani?

Aber zum Beispiel nicht Leila Slimani, die schon mal in den Top 20 auftaucht, zuletzt mit "Das Land der Anderen", oder auch nicht die viel gefeierte, dieses Jahr gar für den Literaturnobelpreis gehandelte Annie Ernaux.

Der Grund für den „Anomalie“-Erfolg ist wie so oft bei Bestsellern schwer zu ermitteln. Der Goncourt ist es nicht, auch der Erfolg in Frankreich nicht: Bestseller aus anderen europäischen Ländern werden selten genug zu Bestsellern in Deutschland, so sehr die hiesigen Verlage darauf setzen. Bei Lanz war Le Tellier ebenfalls noch nicht.

Bleibt die positive Resonanz in den Feuilletons – und eben das, was Le Tellier erzählt über die Schwierigkeiten, Ich und kein anderer zu sein und wie leicht diese Ich-Sicherheit ins Wanken geraten kann.

Sowas hallt nach, zumal Le Tellier ein entspannter Erzähler ist, sowas wird auch jenseits einschlägiger medialer Literaturkanäle gern empfohlen – und das kann dem Buchmarkt beim üblichen Bestsellereinerlei nur gut tun.

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