zum Hauptinhalt
Bernard Sumner mit New Order in Berlin.

© Martin Mülle/Imago

New Order live in Berlin: Für immer blau

Lustlose Legenden: New Order gaben im ausverkaufen Berliner Tempodrom ein souveränes, aber wenig mitreißendes Konzert.

Es ist ruhig geworden um New Order: Die Nachfolge-Band von Joy Division, ohne die Indierock kaum vorstellbar wäre, hat ihr letztes, durchwachsenes Album „Music Complete“ 2015 herausgebracht. Zuvor war Gründungsmitglied Peter Hook ausgestiegen, womit auch die legendären Streitigkeiten zwischen ihm und Frontmann Bernard Sumner ein Ende fanden.

Nun ist Friede eingekehrt: In diesem Jahr wurde das New Order-Debüt „Movement“ als edle Sammlerbox neuveröffentlicht und die 1980 gegründete Band aus Manchester geht langsam aus der aktiven Phase in die Rolle ihrer eigenen Nachlassverwalter über. Diesen Eindruck hinterlässt jedenfalls ihr Konzert im Berliner Tempodrom.

Die Jahreszeit ist perfekt für den melancholischen Pop der Briten: Es ist Herbst, es ist kühl, und dann ist auch noch Montag. Die fünfköpfige Band erinnert gleich zu Beginn an früher: Zu den Klängen von „Singularity“ sind Filmaufnahmen aus dem West-Berlin der Achtziger zu sehen. Ein starker, emotionaler Einstieg, immerhin könnte ein Großteil des Publikums vor 30 Jahren ähnlich ausgesehen haben wie die Punker auf der Leinwand.

Mit dem bittersüßen „Regret“ geht es weiter Richtung Vergangenheit: Treibende Stakkato-Gitarren, melodiöse Bassläufe und das kühle Pathos der Keyboards – außer The Cure hat wohl keine Band der achtziger Jahre die Synthese aus Depression und Dancefloor besser hinbekommen, als New Order. Die Postpunk-Manifeste „She’s Lost Control“ und „Transmission“, beschließen die „Joy Division-Section“, wie Sumner es ausdrückt.

Ohne Peter Hook ist Bernard Sumner das unumstrittene Zentrum

Der 63-jährige Sänger, so scheint es, möchte aus der Dunkelheit heraustreten und sich den positiveren Seiten von New Order zuwenden. Tatsächlich legt er für die kommenden fünf Songs die Gitarre weg, denn jetzt kommt die „Techno-Section“, die den Abend dominiert. „Tutti Frutti“ und „Subculture“ stampfen mit großen Synthie-Beats nach vorne, Tanzstimmung kommt aber erst ab „Fine Time“ auf.

Die Animationsversuche von Sumner, der nicht gerade die Ausstrahlung eines Popstars besitzt, verfangen nur bedingt: Wie der untersetzte, graumelierte Sänger mit dem Mikro über die Bühne tänzelt, wirkt eher eigenartig als mitreißend. Nach dem Abgang von Hooks, der seinen Bass stets auf Kniekehlenhöhe spielte, ist Sumner als unumstrittener Mittelpunkt der Band die letzte verbliebene Persönlichkeit auf der Bühne, der Rest sieht fast unbeteiligt aus.

Das unvermeidliche „Blue Monday“ ertönt, es wird aber mehr gefilmt als getanzt. Das mächtige „Temptation“ zündet besser, während das routinierte „Love Will Tear Us Apart“ den etwas lustlosen Charakter des Abends unterstreicht. Es ist ein ordentliches Konzert einer Band, die in Begriff ist, zum Denkmal zu erstarren. Schon „Music Complete“ zeigte, dass sie sich vor allem in der eigenen Vergangenheit bedient. Aber New Order kopieren, das können andere Bands mittlerweile besser, als New Order.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false