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Der 1987 geborene Musiker L.A. Salami heißt wirklich so.

© Dana Kirsch

Neues Album von L.A. Salami: Die Macht von Hauskatzen

Wagemut und Wortgewitter: das dritte Album des Londoner Singer-Songwriters L.A. Salami, dem man die Bewunderung für Bob Dylan deutlich anhört.

Vor zwei Jahren stand die Karriere von L.A. Salami kurz vor dem Abheben. Ein prestigeträchtiges Jazz-Label aus den USA zeigte Interesse, den englischen Sänger und Songwriter unter Vertrag zu nehmen.

Mitarbeiter sahen sich ein halbes Dutzend seiner Gigs an, studierten seinen Stil – und haben dann einen US-Musiker verpflichtet, dessen Musik auffällige Ähnlichkeit zu der Salamis aufweist, und der obendrein ebenfalls afrikanische Wurzeln, zwei abgekürzte Vornamen und einen dreisilbigen Nachnamen mitbringt: J.S. Ondara.

L.A. Salami, mit vollem Namen Lookman Adekunle Salami – ja, er heißt wirklich so –, verbucht diese Erfahrung heute unter der Rubrik: „It’s business.“ So sehr dem Label sein Stil gefallen habe, ein amerikanischer Künstler sei in den USA einfach besser zu vermarkten als ein britischer. 

Die Bitterkeit hallt noch nach

Zu wurmen scheint ihn die Geschichte dennoch. So lässt sich auf seinem Album „The Cause Of Doubt & A Reason To Have Faith“ (Sunday Best Recordings), das am Freitag erscheint, ein Stück finden mit dem Titel „When You Play God (The 2018 Copyright Blues)“.

Der Song dreht sich sanft im Kreis, im Hintergrund eine Gitarre, die schnarzt und knarrt. Eine Mandoline klimpert, ein Klavier steht windschief im Raum, daneben jazzt das Schlagzeug vor sich hin. Entlang der losen Enden tastet sich Salamis Stimme durch den Sound, hell, brüchig, schwankend zwischen Rezitativ und Gesang. 

Für einzelne Textzeilen gewinnt sie an Kraft und Hall und akzentuiert so den Strom der Gedanken: „It’s best to just play along“, singt Salami und klingt dabei wie Daniel Rossen von der Band Grizzly Bear.

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Also einfach mitspielen und treiben lassen durch diese sieben Minuten, in denen es um Machtmenschen und Größenwahn geht, um Politik und Putin, Kanye West und das Musikbusiness. Sogar J.S. Ondara hat seinen Auftritt, kurz nachdem Salami den Satz singt: „I ain’t sold my soul, so they stole my image.“ Die Bitterkeit hallt immer noch nach.

L.A. Salami hat sie genutzt, um daraus ein eindrucksvolles Album zu formen. „The Cause Of Doubt & A Reason To Have Faith“ ist sein drittes und ihm zufolge dasjenige, auf dem er keinerlei Kompromisse mehr eingeht. Sieben Songs umfasst es nur, doch einige davon sind derart gewaltig, dass nie der Verdacht aufkommt, hier hätte einer nicht genug zu sagen.

Gleich zu Beginn der Platte, im zehnminütigen Titeltrack, geht es ums Ganze: um Glaube, Zweifel, Ersatzgötter. „Books on peace of mind ain’t doing much to save mine – I need a god!“, singt Salami, 1987 in London geboren. 

Eine Gitarre kann er sich erst mit 21 leisten

Wie auf seinen zwei bisherigen Platten, die noch gewohnteren Songstrukturen verpflichtet sind, denkt er auch dieses Stück vom Folk her, lässt ihn aber dann entschiedener hinter sich. 

Er rollt einen Hip-Hop-Beat hinein und lässt das Lied in schönster Kurt-Vile-Manier grooven und mäandern, mitsamt gesampelten Streichern, einer einsamen Mundharmonika und einer E-Gitarre, die dazwischengrätscht.

Aufgewachsen ist Salami als Adoptivkind in einem Küstenstädtchen im Südosten Englands. Mit sieben kehrt er zur leiblichen Mutter nach London zurück und lebt in ärmlichen Verhältnissen, eine Gitarre kann er sich erst mit 21 leisten. 

Unter dem Eindruck seines Vorbilds Bob Dylan, das auch auf „The Cause Of Doubt & A Reason To Have Faith“ an allen Ecken und Enden hervorgrinst, hat er schon zuvor mit dem Schreiben von Songs begonnen. Nun bringt er sie, nach drei Monaten des Orientierens auf der Gitarre, auf die Bühne. Selbstvertrauten hat L.A. Salami, das hört man auch seinem neuen Album an.

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Und wo so viel Kunstwille herrscht, ist auch das Prätentiöse nicht weit. So spielt Salami am Ende des Titelstücks einen Gesprächsausschnitt ein, in dem ihm ein Mann erklärt, dass die Hauskatze die mächtigste aller Katzen sei, da sie acht Mal so hoch springen könne, wie ihre Körpergröße reiche. Das mache sie auch mächtiger als einen Löwen – nun ja.

Überzeugender ist Salami, wenn er den eigenen Gedanken ihren kühnen Lauf lässt. Kurz vor Ende der Platte kommt er endgültig bei einem an seinen Londoner Kollegen The Streets gemahnenden Hip-Hop an. 

Der Song „The Cage“ ist eine Tour de Force, ein Wortgewitter, das einen mit all seinen Themen und Bezügen zu überspülen droht. Acht Minuten vollgepackt mit Zarathustra, McCarthy und Hobbes, Kapitalismus, Social Media und Rassismus. „We’re seeing race wars rage live on facetime“, rappt er. „And this could be positive, ugly or not, magnified media – live! – focused on a spot.“

So arbeitet sich L.A. Salami sowohl musikalisch als auch textlich durch die Vergangenheit und bringt dabei ein Album zustande, das überaus heutig klingt. Es hätte für ihn und sein Publikum also kaum besser laufen können – auch nicht mit einem Deal bei dieser US-Plattenfirma, die lieber einen anderen unter Vertrag genommen hat. J.S. what’s his name?

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