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Vielseitig. Harriet Krijgh wird ebenso als Solistin wie auch als Kammermusikerin geschätzt. Nur im Streichquartett hat sie noch nicht gespielt.

© Marco Borggreve

Neuanfang beim Artemis Quartett: Der erste Streich

Die 27-jährige niederländische Cellistin Harriet Krijgh gibt am 15. Mai ihr Debüt beim Berliner Artemis Quartett. Ein Porträt.

Harriet Krijgh ist eine Bilderbuch-Holländerin: unglaublich nett, offen, unkompliziert und dabei auf lässige Art weltläufig. Mit der 1991 in Utrecht geborenen Cellistin möchte man sofort einen koffie verkeerd trinken gehen, wie man in ihrer Heimat Heißgetränke mit Milchschaum obendrauf nennt. Ein wenig falsch herum allerdings fühlte es sich dann doch an, als sie im vergangenen November zur Nachfolgerin von Eckart Runge beim Berliner Artemis Quartett ausgerufen wurde. Denn bislang war sie für vieles bekannt, nur nicht für Kammermusik in Vierer-Streicher-Besetzung.

Bei den Krijghs zu Hause wurde oft musiziert, einer von Harriets vier Brüdern allerdings ließ sein Cello häufig in der Ecke liegen. Das schnappte sich die Fünfjährige – und zeigte so viel Talent, dass sie mit neun in die Klasse für Hochbegabte an der Musikhochschule Utrecht aufgenommen wurde. 2004 wechselte sie ans Wiener Konservatorium, ab 2013 holte sie sich den letzten Feinschliff beim legendären Franz Helmerson an der Kronberg Academy. Da war sie bereits eine gefragte Interpretin, hatte verschiedene Wettbewerbe gewonnen, eine erste CD mit Werken aufgenommen und bei wichtigen Orchestern als Solistin debütiert.

20 Konzerte spielt sie im Sommer in Mecklenburg-Vorpommern

Auch bei den Festspielen Mecklenburg-Vorpommern beeindruckte Harriet Krijgh 2013 mit ihrem Auftritt in der Reihe „Junge Elite“ so nachhaltig, dass daraus eine enge Verbindung zu dem nordostdeutschen Sommerfestival erwuchs. In diesem Jahr wird sie dort als „Preisträgerin in Residence“ das Programm prägen. Bei 20 Konzerten ist sie zwischen Heiligendamm und Zarrentin als Solistin unter anderem mit dem NDR Elbphilharmonie Orchester zu erleben, im Duett mit ihrer langjährigen Klavierpartnerin Magda Amara, in diversen Kammermusikformationen vom Trio bis zum Quintett sowie bei einem „Amsterdam- Wochenende“ in der Landeshauptstadt. Nur eben nicht als Mitspielerin in einem Streichquartett.

Um mal eben für einen Auftritt eine solche Formation aus Künstlerfreunden zusammenzustellen, ist ihr die Gattung dann doch zu „heilig“, sagt Harriet Krijgh. Unter Klassik-Puristen gilt das Quartett als edelste Form des musikalischen Miteinanders, und auch die Cellistin hatte stets einen „Riesenrespekt“ vor dieser Spielart. Selbst wenn sie ihr seit Studentenzeiten eng vertraut ist, weil der Mann ihrer Lehrerin Lilia Schulz-Bavrova beim Alban Berg Quartett spielte.

Schon bei den ersten Proben hat es "boom" gemacht

Doch dann lernte sie vor vier Jahren die Artemis-Truppe kennen, als sie eingeladen wurde, bei der Aufführung eines Quintetts als verstärkendes Cello mitzuwirken. Die Chemie stimmte sofort, und darum nahm sie auch die Einladung neugierig an, als sich Vineta Sareika und Gregor Sigl bei ihr meldeten, von der radikalen Umstrukturierung ihrer Formation berichteten und sie einluden, mal zur Probe mitzuspielen. Um zu testen, „wie sich das anfühlt“.

„Tja“, sagt Harriet Krijgh und lächelt, „da hat es dann Boom gemacht, da war für alle klar, dass es klappen kann.“ Auch weil die 27-Jährige eine Meisterin im Zeitmanagement ist. Also hat sie ihren Terminkalender so strukturiert, dass sie künftig blockweise mit ihren Artemis-Mitstreitern arbeiten kann, bei fokussierten Probenphasen und anschließenden Konzerttourneen.

Denn ihr anderes Leben will sie für dieses „Abenteuer“ nicht völlig aufgeben. Mögen die Leute ein Streichquartett auch mit einer Ehe zu viert vergleichen, sie will beweisen, dass sich höchste Qualität auf diesem Gebiet auch in Teilzeitpartnerschaft erreichen lässt. Ebenso sieht es Suyoen Kim, die künftig alternierend mit Vineta Sareika am ersten Geigenpult sitzen wird, als Ersatz für die US-Amerikanerin Anthea Kreston kommt, die sich nach nur zweieinhalb Jahren zurückzieht. Bei Suyoen Kim liegt der Fall sogar noch komplizierter: Sie ist nämlich im Hauptberuf Konzertmeisterin des Berliner Konzerthausorchesters. Doch ihre dortigen Musikerkolleginnen und -kollegen sind derart von ihr begeistert, dass sie bereit sind, der Geigerin die Doppelrolle zu ermöglichen.

Mit Eckart Runge will sie nicht verglichen werden

„Mit dem Quartettspiel hat sich eine neue Tür in meiner Wahrnehmung geöffnet“, schwärmt Harriet Krijgh. „Meine Ohren sind viel offener geworden.“ Von dem inneren „Brennen“, das sie hier fühlt, will sich die Cellistin entzünden lassen. Wer bei der Begrüßung zum Interview spüren konnte, welche Kraft die zierliche Künstlerin in ihren feingliedrigen Händen hat, wer später gehört hat, mit welch inniger Intensität sie ihr 1620 von Giovanni Paolo Maggini gebautes Instrument singen lassen kann, zweifelt nicht, dass sie sich mit ebenso viel Ehrgeiz wie Leidenschaft in das Experiment stürzen wird.

„Natürlich hoffe ich darauf, dass mich das Publikum nicht mit Eckart Runge vergleicht“, sagt sie. Sie ist nun einmal eine andere Künstlerpersönlichkeit als der Artemis-Mitbegründer. Und kommt aus einer anderen Generation: Harriet Krijgh ist tatsächlich zwei Jahre jünger als das Artemis Quartett, das in diesem Jahr sein 30-jähriges Bestehen feiert. Eckart Runge jedenfalls zeigt sich sehr kollegial, denn beim Berlin-Debüt der neuen Formation am 15. Mai im Kammermusiksaal der Philharmonie wird er anwesend sein. Im ersten Teil des Konzertes sind er und Anthea Kreston noch mit dabei, für Brahms’ Streichsextett, im zweiten spielt die neue Vierergruppe dann alleine Smetanas 1. Streichquartett. Freundschaftlicher kann man eine Staffelstabübergabe nicht organisieren.

Kammermusiksaal, 15. Mai, 20 Uhr

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