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Markiert. Die Schafe auf Goldins Foto stehen auf dem Schlachthof.

© Nan Goldin

Nan Goldin in der Galerie Kewenig: Am violetten Himmel

Nebelverhangene Dörfer und blutig enthörnte Rinder: Die berühmte Fotografin Nan Goldin macht Naturporträts zum emotionalen Resonanzraum. Eine Ausstellung in der Galerie Kewenig.

Die Tiere sind gezeichnet, ihr Schicksal ist der Schlachthof. Nan Goldin hat sie dort fotografiert, als unruhigen Pulk verängstigter Tiere. „Irish Landscapes“ gehört nicht unbedingt zu den Serien, die man von der amerikanischen Künstlerin erwartet. Schon gar nicht jetzt, wo Goldin mit ihrem Protest gegen das abhängig machende Schmerzmittel Oxycontin eine wütende Kampagne gestartet hat, die sich bis in die Kunstmagazine niederschlägt.

Dabei lohnt auch ein Blick auf jene zwischen Bilder, die in der Galerie Kewenig mit Skulpturen von Pedro Cabrita Reis und Justin Matherly zu einer Ausstellung gruppiert worden sind. Die beiden Bildhauer suchen in ihrem jeweiligen Werk nach den Bruchstellen der menschlichen Existenz. Ein Thema, mit dem sich Goldin bestens auskennt: Ihre Nahaufnahmen aus New York und Berlin, wo in den achtziger Jahren heftiger als anderswo geliebt, Drogen konsumiert und gestorben wurde, haben sie berühmt gemacht. Goldin war Teil jener family, was ihre Bilder unvergleichlich intensiv und authentisch machte. Auch diesmal hat sie sich den Ort ihrer Fotografie, die raue und einsame Natur Irlands, nicht bewusst ausgesucht.

Licht und Perspektive sind zutiefst aufgeladen

Die Reisen ab 1979 bis ins Jahr 2002 gründen in einer langen Freundschaft zu der irischen Filmemacherin Vivienne Dick, die Erkundung der Landschaft resultiert aus dieser Beziehung. Goldings Bilder waren erst einmal im Irish Museum of Modern Art in Dublin ausgestellt, sie selbst scheint es nicht unbedingt zu forcieren. Tatsächlich sind die „Irish Landscapes“ im Vergleich mit ihrer „Ballade von der sexuellen Abhängigkeit“ motivisch unspektakulär. Aber sie zeigen, wie eine an people photography geschulte Künstlerin auf Felsen, Meer, nebelverhangene Dörfer oder blutig enthörnte Rinder blickt: Goldin fotografiert die atemberaubende Natur wie Porträts.

Die Weite der feuchtsatten, leeren Gegenden um Donegal, Galway und Dublin interessiert sie nur mäßig. Stattdessen fokussiert die Künstlerin auf einen Punkt, nimmt Details in den Blick, die sie faszinieren. Fast glaubt man mit ihr vom Boot in gefährlich tiefes Wasser zu schauen, auf eine schemenhafte Gestalt im Zwielicht oder einen violetten Horizont, den es so nicht geben kann. Licht und Perspektive sind zutiefst aufgeladen. Die Landschaft wird auch hier zu Goldins emotionalem Resonanzraum. Nur anders.

Galerie Kewenig, Brüderstr. 10; bis 14. 4., Mo–Sa 10–18 Uhr

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