zum Hauptinhalt
Ein Ort auch für Neues: die Deutsche Oper

© picture alliance / dpa

Deutsche Oper Berlin: Nachtigallen und Neckerei

Klassische Kunstlied trifft moderne Lyrik: Ein Salon mit der Autorin Nora Bossong in der Deutschen Oper Berlin

Das Foyer der Deutschen Oper, dieser großzügige Raum zum Flanieren und Plaudern in den Pausen zwischen schwergewichtigen Bühnenaufzügen, er verwandelt sich in einen literarischen Salon. Dekoration und Beleuchtungseffekte schaffen eine Atmosphäre, die sich eignet, um „Lieder und Dichter“ zu vereinen. Es geht um eine Veranstaltungsreihe der Deutschen Oper mit dem Haus für Poesie, initiiert von dem britischen Studienleiter und Pianisten John Parr. Klassisches Kunstlied und moderne Lyrik – am 5. Juni wird Durs Grünbein eigene Texte mit Mahler und Schostakowitsch verbinden.

Diesmal steht eine Dichterin im Mittelpunkt: Nora Bossong. Die Romanautorin tritt hier vor allem in ihrer Eigenschaft als Lyrikerin in Erscheinung, und ihre Lesung ist mit zartem Ton schon ein wenig Musik. Inhaltliche Bezüge werden hergestellt, in diesem Fall zu Johannes Brahms. Wo hört man sonst schon öffentlich dessen Quartette, vierstimmige Vokalmusik mit Klavierbegleitung, die hier John Parr zupackend interpretiert! Die „Neckereien“ intoniert Clemens Bieber, umgeben von Nicole Haslett, Annika Schlicht und Stephen Bronk, ein Gesangsquartett, das sich im Klang gefunden hat. Schöne Nacht und Nachtigallen und Neckerei: Die Musik malt dichte Erscheinungsbilder, zumal sie gesanglich eng am Text deklamiert wird. Das gilt besonders für die archaisierenden „Ernsten Gesänge“, die der Bassist Stephen Bronk, sonst Sarastro und Daland, Wort für Wort mit ehrfürchtiger Emphase vorträgt. Bevor das Quartett zu den „Zigeunerliedern“ kommt, die alles umfassen vom tanzenden „braunen Burschen“ bis zu „Gott schütze dich“, wird eine Uraufführung gefeiert: Fünf Lieder nach Gedichten von Nora Bossong, vertont von Anno Schreier.

"Ganymed" und "Dezemberreise" heißen Bossongs Gedichte

In dem „Künstlergespräch“, das Jörg Königsdorf moderiert, ist zu erfahren, wieviel Gefallen der Komponist an den Gedichten gefunden und dass er sie im Sinn einer Dramaturgie geordnet hat. Es fängt an mit „Ganymed“ – man denke nicht an die Dimension Goethe! – und führt in „Dezemberreise“ zum Streichholzschächtelchen, das herumliegt. Alltagsträume geraten bei Bossong in eine eigene, fesselnde poetische Beleuchtung. Die Vertonung ist gefällige Stimmungsmusik. Aber eine sicher bewältigte Aufgabe für Mezzosopranistin und Ensemblemitglied Annika Schlicht. Brahms und Nora Bossong: Der Abend spiegelt Weltbilder im Wandel der Zeiten und der Gesellschaft.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false