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Nachruf: Bernd Eichinger: Der bewegende Mann

Er wollte, dass die Menschen weinen und lachen und er wollte bestimmen, wann. Bernd Eichinger war Deutschlands erfolgreichster Filmproduzent. Er war stur und brannte vor Ungeduld. Zum Tode eines Bilder-Berserkers.

Sein Großvater war Bergsteiger. Er hat den Jungen auf die Gipfel mit hochgeschleppt, das war hart. Du darfst nicht hochschauen, hat der Großvater gesagt, setze einen Schritt vor den anderen, und irgendwann bist du oben. Genauso hat er es gemacht, als Kind und später, als Filmproduzent. In Deutschland, nach dem Krieg, gab es keinen, der erfolgreicher war.

Bernd Eichinger ist tot. Er ist an einem Herzinfarkt gestorben, völlig unerwartet, in Hollywood, seiner zweiten Heimat neben München, während eines Essens im Freundes- und Familienkreis. Er wurde 61 Jahre alt, er hinterlässt seine Frau Katja und seine Tochter, die TV-Moderatorin Nina Eichinger.

Der Tod hat ihn mitten aus dem Leben gerissen. Ihn, der immer ein wenig schneller lebte, dachte und arbeitete als die anderen um ihn herum, der brannte für seine Filme und seine Ideen, der so stur war, sie partout realisieren zu wollen, ungeduldig und ungestüm, ein energischer, aufbrausender Teamworker, einer der gern den Rest der Nacht durchfeierte, wenn er vorher die halbe Nacht am Drehort seinen Mann gestanden hatte, der die Frauen liebte und die Frauen liebten ihn, der nichts dem Zufall überlassen mochte und Kette rauchte, der an den Drehbüchern mitschrieb, sich leidenschaftlich einmischte und immer wieder am liebsten selbst Regie führte - auch wenn er meist das Gegenteil beteuerte.

Eichinger verkörperte ein Paradox: Er war die Geduld und die Ungeduld in Person. War unglaublich beharrlich, wenn es darum ging, die Rechte an „Das Parfum“ oder einem anderen Bestseller zu erwerben, 20 Jahre lang hat er sich um Patrick Süskinds Erfolgsroman bemüht, aber der Verlag sagte Nein, immer wieder. Nein als Antwort, das hat Eichinger nie akzeptiert. Und er war gleichzeitig ein hypernervöser Mensch, ein Getriebener, immer eine Spur zittrig, aber es war nichts Krankhaftes daran, sondern ein Aufgeladensein, ein Überschuss an Wachsein, an Energie, an Obsession. Wenn er süchtig war, dann nach Filmen. Ein Siegertyp, ja, aber einer, der seine Selbstzweifel nie verbarg und sie nutzte, um einen besseren, schnelleren Weg zum Gipfel aufzutun.

Turnschuhe, Jeans, Seidenschal, das waren seine Markenzeichen. Maloche und Glamour. Helmut Dietl hat ihm in der Filmschickeria-Komödie „Rossini“ ein heiteres Denkmal gesetzt.

Die Nachricht von Eichingers Tod platzt am Dienstagabend in die Weltpremiere von Til Schweigers Film „Kokowääh“ am Potsdamer Platz. Schweiger kämpft am Rand des roten Teppichs mit den Tränen, ihn verbindet eine lange Beziehung mit dem Produzenten, seit Eichinger ihn 1994 als „Der bewegte Mann“ berühmt machte. Er war sein Mentor, ein Freund, „unser kraftvollster, berühmtester und erfolgreichster Filmproduzent“. Das Kraftzentrum des deutschen Films, es zog an, es stieß manche auch ab, aber die Kraft hat niemand ihm abgesprochen. Auch Regisseur Oskar Roehler hat es auf dem Weg zur Premiere erfahren. Er ist traurig und schockiert. Eichinger, sagt er, war im deutschen Film „der Mann, der für alle der Pate war“.

Der Königsmacher des jüngsten deutschen Films, so wurde Bernd Eichinger schon Mitte der 90er Jahre genannt. Da durchstieg der deutsche Film gerade die letzte Wegstrecke in einer langen Talsohle, es war die Zeit der Beziehungskomödien, er produzierte den „Bewegten Mann“ und es ging langsam wieder aufwärts.

Eichingers Firma: die Constantin in der Kaiserstraße in Schwabing. Der Laden war bankrott, als er ihn Ende der Siebziger übernahm, mit 29 Jahren. Heute ist es ein Imperium, Verleih und Produktion. Weil die Constantin als einzige deutsche Produktionsfirma dauerhaft kommerziell funktioniert, mit Eigenkapital, cleverer Kalkulation und einer gewissen Unabhängigkeit von den Fördertöpfen. Eichinger stieg 2001 als Chef aus, blieb der Firma als Produzent verbunden, war noch im Aufsichtsrat. Er wollte sich nur noch seinen kreativen Projekten widmen, mit seinem legendären Gespür für Erfolgsstoffe und für den Geschmack des Publikums.

„Christiane F. - Wir Kinder vom Bahnhof Zoo“, Regie Uli Edel, damit fing es an 1979. Nach einer katholischen Kindheit als Sohn eines Landarztes, Internat, Rock’n’Roll-Band, Jobs bei der Bavaria, Münchner Filmschule, es war die Zeit von Wim Wenders, Syberberg und Edgar Reitz - damals hat Eichinger, man glaubt es kaum, deren frühe Werke produziert. „Christiane F.“ wurde beschimpft, jetzt will das Kino auch noch mit Stories von Heroinabhängigen Kasse machen. Aber es war plötzlich eine Art Wirklichkeit auf der Leinwand, die das Publikum in großer Zahl sehen wollte. 40 Millionen Mark spielte die 6-Millionen-Produktion ein – der bis dahin erfolgreichste deutsche Nachkriegsfilm.

Seinem Erfolgsrezept blieb er treu: Anspruchsvolle Bestseller, gediegene Romane und regelrechte Kultbücher in Drehbücher verwandeln, für die Kids und die Älteren und auch die Zuschauer aus der Mitte der Gesellschaft, Erzählkino fürs große Publikum, mit Schauwert, am besten prominent besetzt. Auf diese Weise hat er in gut 30 Jahren über 70 Filme produziert. Es funktionierte bei „Die unendliche Geschichte“, „Der Name der Rose“, „Das Geisterhaus“ und „Fräulein Smillas Gespür für Schnee“ genauso wie bei der Zeichentrickverfilmung „Werner, beinhart“. Es folgten „Der Schuh des Manitu“, „Elementarteilchen“, „Der Untergang“, „Der Baader-Meinhof-Komplex“, zu den Bestseller-Adaptionen und Bully-Komödien gesellten sich große historische Zeitstoffe. Wie kein anderer verstand Eichinger es, die mediale Öffentlichkeit gerade für seine politischen Sujets zu mobilisieren. Damit hat er sich nicht nur Freunde gemacht. Bloß gleichgültig stand ihm in der Filmwelt wohl keiner gegenüber.

Film ist Krieg. Kühler Kopf, heißes Herz. Ich bin mein erster Zuschauer. Ich will die Leute manipulieren. Ich will, dass sie heulen, und dass sie lachen. Und das will ich in dem Moment, für den ich voraussage: Da wird gelacht und da wird geheult. Eichinger-Sätze in eigener Sache.

Er war ein schlanker, großgewachsener Mann. Aber keiner, so sagen es seine Mitarbeiter, fühlte sich klein neben ihm. Nur Kleinmut, den hat er gehasst.

Sein vielleicht einziger wirklicher Flop war eine Eigenregie, die zweite nach dem Remake von „Das Mädchen Rosemarie“. „Der große Bagarozy“, 1999, mit Til Schweiger als Satan und Corinna Harfouch als Psychiaterin, eine Hommage an Maria Callas, Eichingers Göttin. Ja, er liebte das Pathos der Oper, das Kino, das er herstellen wollte, ist der großen Oper ja durchaus verwandt. Schon als Kind bekam er Opern zu hören, und er schwor ihnen trotz Rockgitarre nicht ab. Er hat auch eine inszeniert, Wagners „Parsifal“ an der Lindenoper in Berlin. Aber sie blieb seltsam steif, statuarisch, vielleicht hatte er vor der Musik zu viel Respekt.

Erinnerungen an Eichinger. Er sitzt, irgendwann Ende der Achtziger, im Seminarraum der Berliner Film- und Fernsehschule, der Saal ist überfüllt, aber die Studenten mögen ihn eigentlich nicht. Eichinger, das ist doch Mainstream, ein Mogul, ein Kapitalist, einer der mit 50-Millionen-Budgets jongliert, das interessiert sie als Filmkünstler nicht. Eichinger übergeht das einfach, erzählt von seiner Arbeit, hockt dabei keinen Moment still. Und plötzlich ist Filmemachen ein ansteckender Virus, die Studenten hängen an seinen Lippen, er kann sich vor Fragen kaum retten. Am Ende hat er bei aller Kritik ihren Respekt.

Oder 2003 im Arsenal-Kino im Filmhaus am Potsdamer Platz. Oskar Roehler zeigt Eichinger und ein paar anderen „Der alte Affe Angst“. Der Film ist noch nicht ganz fertig, Eichinger produziert ihn gar nicht, er wird Roehler erst später die Regie für Michel Houellebecqs „Elementarteilchen“ übertragen. Kaum ist das Licht wieder an, erklärt er Roehler haarklein, was gut ist und was nicht, kollegial im Ton, hellsichtig in der Betrachtung, beinhart in der Sache, ein Bilder- Kenner, Bilder-Analytiker, Bilder-Berserker. Und Roehler will es genau wissen.

Oder St. Petersburg, im Herbst des gleichen Jahres. Eichinger steht vor der Pochtamsky-Brücke über die Mojka und dann neben Oliver Hirschbiegel an der Kamera. Er schiebt Hirschbiegel weg, guckt selbst durch die Kamera, schon klar, wer hier eigentlich Regie führt in dieser Szene des „Untergangs“, Eichingers Film über die letzten Tage Hitlers. Es ist seine aufwändigste, ehrgeizigste Produktion, seine größte Herzensangelegenheit. Er brennt dafür, hat sämtliche Bücher dazu verschlungen, selbst das Drehbuch geschrieben und sich sein Projekt von Joachim Fest absegnen lassen. Jeder Dialogsatz, der da fällt im Bunker, jede Zeile, die Bruno Ganz als Hitler im „Untergang“ sagt, sie sollte möglichst historisch verbürgt sein. Ein Wahnsinnsprojekt. Zeitlebens, so sagt Eichinger es in dieser Gespensternacht in St. Petersburg, hat ihn die Frage umgetrieben, warum so schnell hintereinander zwei Weltkriege stattfinden konnten. „Wir drehen keinen Hitlerfilm, keinen Kriegsfilm, keinen Actionfilm“, sagt Eichinger. „Ich wollte wissen: Warum machen die Leute weiter, selbst als Hitler schon tot ist? Welche Autosuggestion führt dazu, dass keiner Stopp sagt?“ Er will die Generation seiner Eltern begreifen. Eichinger, der 68er.

Ein linker Tycoon, noch so ein Paradox. An der linken Geschichte hat er sich auch mit dem „Baader Meinhof Komplex“ abgearbeitet. Kann man der Frage der Gewalt, des RAF-Terrorismus mit den Mitteln des Actionkinos beikommen? Im Zweifel wollte er immer zu viel. In jedem Fall hat er sich nie damit begnügt, leichte Unterhaltung zu bieten.

Als Senta Berger und Günter Rohrbach bei der Deutschen-Filmpreis-Gala letztes Jahr im April den Ehrenpreis an Bernd Eichinger verliehen, sagten sie, den Beruf des Produzenten habe er für sich und auch für dieses Land neu erfinden müssen. Der Produzent nicht als Kaufmann, sondern als Künstler. Das war sein Lebenstraum. Dass die Deutsche Filmakademie, deren Spiritus Rector er war und die seine Filme immer leer ausgehen ließ, ihn anerkennt. Dass die Filmkünstler ihn, den Bernd, auch als Künstler in ihre Reihen aufnehmen, als einer von ihnen.

Vielleicht hat es ihm deshalb die Sprache verschlagen, als er im Friedrichstadtpalast auf die Bühne kam. Der coole, lässige Eichinger, plötzlich war er ein zutiefst bewegter Mann.

Entspannung war nicht seine Sache. Wenn er auf einem See auf einer Luftmatratze schaukelt, meinte er einmal, guckt er nicht verträumt in die Wolken, sondern denkt an den weißen Hai.

Der Schock über seinen unerwarteten Tod treibt jetzt viele um.

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