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Ganz die Mutter? Berlinale-Stammgast Tilda Swinton bringt erstmals Honor Swinton Byrne zur Pressekonferenz mit.

© Ralf Hirschberger/dpa

„The Souvenir“ auf der Berlinale: Mutter und Tochter Swinton gemeinsam auf der Leinwand

Start im Panorama: Im britischen Drama „The Souvenir“ von Joanna Hogg spielt Tilda Swinton an der Seite ihrer Tochter Honor Swinton Byrne.

Der Tochter schauspielerische Ratschläge erteilen? Das fällt einer auf Einzigartigkeit abonnierten Arthouse-Ikone wie Tilda Swinton nicht ein. Die erste große Rolle in „The Souvenir“ zeige ja, dass Honor Swinton Byrne keine braucht. „Sie ist ein eigenständiges Individuum.“ Und tritt auf der Pressekonferenz von Joanna Hoggs Drama kein bisschen als Muttis Juniorausgabe auf. Auch im Film haben die eher statuarische Mutter und die unverkrampft aufspielende Tochter nur noble Blässe gemein.

Gesehen werden, erkannt sein und selber sehen, erkennen lernen. Darum geht es. Im Kino, dessen Anfang der Achtziger noch herrlich analog verspultes Wesen die britische Filmemacherin Joanna Hogg in „The Souvenir“ beschwört. Und im Leben, das die von Honor Swinton Byrne verkörperte Heldin Juli als behütet aufgewachsene Filmhochschulstudentin erstmals von seiner gefährlichen, unkontrollierbaren Seite kennenlernt.

Die Regisseurin ist eine enge Freundin Tilda Swintons

Unausweichlich also, dass sich die warmherzige Jungregisseurin in den arroganten Anthony verliebt. Einen von Tom Burke schön schnöselig verkörperten Dandy, der nichts auf Julies Bescheidenheit gibt. „Du bist ein Freak“, schleudert er der verblüfften Julie ins Gesicht, „du bist und du wirst immer verloren sein“.

Das ist zwar reine Projektion, denn wie sich bald herausstellt, ist der im Außenministerium arbeitende Exzentriker der einzige Freak weit und breit. Und ein Junkie noch dazu. Aber zur Vortäuschung der Seelenverwandtschaft, des Erkanntseins, das sich Julie wünscht, taugt nichts besser als dieser Verführungsspruch.

Die Liebes- und Entwicklungsgeschichte ist autobiografisch gefärbt, auch wenn Joanna Hogg auf der Pressekonferenz betont, dass Julie im Verlauf der ohne reguläres Drehbuch ausgeführten Arbeit an der Geschichte doch eine fiktive Figur geworden sei. So echt und so fiktiv wie das Zeitgefühl der frühen Achtziger, das Joanna Hogg mittels Schwarzweiß-Fotos, altem Filmmaterial, grobkörnigem Look und Joe Jackson-Songs in ihrem vierten Spielfilm erzeugt.

Einmal erschüttert eine Explosion Julies kleines, feines Londoner Apartment unweit des Kaufhauses „Harrods“. Der IRA-Terror beutelt das Land genauso wie der Thatcherismus. Das ist eine Zeit, die die 21 Jahre alte Honor Swinton Byrne nur aus den Tagebuchaufzeichnungen und den Privatfotos von Joanna Hogg kennt, die sie ihr zur Vorbereitung gab.

Hogg und Tilda Swinton sind beide Jahrgang 1960. „Wir waren schon im Alter von zehn Jahren befreundet“, sagt die Regisseurin. Auch an Filmprojekten habe man damals schon gemeinsam gearbeitet. „Tilda und ich erlebten auch genau die im Film beschriebene Zeit zusammen.“ Dass nun die Tochter der alten Freundin Hoggs jugendliches Abbild spielt, spricht von Familiensinn. Und von Hoggs Faible, gelegentlich auch Laien in ihre Filme zu integrieren. Sie sei erst wenige Wochen vor Drehbeginn dazu gestoßen, erzählt Honor Swinton Byrne. Niemand hatte sie auf dem Schirm.

Dafür bringt die junge Frau allerdings eine Kamerapräsenz mit, die weit über Laiendarstellerniveau liegt. Sie überzeugt als Filmstudentin genauso wie als zunehmend verzweifelte Liebende. Eine junge Frau aus der Upperclass, die ausgerechnet auf der Suche nach Klarheit des filmischen Ausdrucks einem Blender verfällt, der sie mit Phrasen wie „Aufrichtigkeit ist nicht genug“ herausfordert.

Tom Burke und Honor Swinton Byrne in "The Souvenir".

© Agatha A. Nitecka / Berlinale

Und Tilda Swinton? Spielt in „The Souvenir“, was sie im Leben ist – Mutter. Graumeliert, in Tweed verpackt und von Hunden umspielt. Ein britisches Klischee, das Hogg aber nicht zur Klassengesellschaftskritik aufpumpt. Treu finanziert sie Julies plötzlich stark gestiegenen Finanzbedarf. Amüsanterweise sieht die mit Kopftuch und Faltenrock bewehrte Landadelige wie eine extra schlanke Queen Elisabeth aus. Darauf angesprochen, winkt die inzwischen wieder erblondete Schauspielerin ab. „Es ist eher so, dass älteren Damen dieser Kreise Anfang der Achtziger nur wenige Frisuren zur Verfügung standen.“

Auch im zweiten Teil von „The Souvenir“, der in Vorbereitung ist, spielen die beiden Swintons wieder mit. Ihre Tochter plane keine Schauspielkarriere, sagt Tilda und schaut lächelnd zu Honor hinüber. „Zumindest soweit ich weiß.“

14.2., 17 Uhr (Cubix 9), 15.2., 20 Uhr (International)

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