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Nestor Ngbandi Ngouyou und Aaron Koyasoukpengo in "Nous, étudiants!" von Rafiki Fariala.

© Makongo Films

Vorschau auf die Berlinale: Mütter, Töchter, Geister in der Sektion Panorama

Studentische Gesänge, alte Gemäuer – und die liebe Not mit der Familie. Ein Blick auf die Spiel- und Dokumentarfilme im Panorama der Berlinale.

Der Bauarbeiter ist sich sicher: Hier gibt es Geister. „Manche sind verloren. Sie suchen einen Weg nach draußen.“ Während er bei der acht Jahre dauernden Luxussanierung des Chelsea Hotels hilft, meint er die Menschen noch zu spüren, die einst in dem berühmten Haus in Manhattan gestorben sind.

Fast wie Geister wirken auch die hier ausharrenden Künstler*innen, in deren Zimmer die anrührende Dokumentation Dreaming Walls von Amélie van Elmbt und Maya Duverdier führt. Sie wirft Schlaglichter auf die großen Zeiten des Hotels, zeigt aber vor allem, dass Langzeitbewohner*innen wie die Choreografin Merle Lister-Levine oder der Drahtkünstler Skye Ferrante dessen Geist bewahren.

Eine lesbische Liebe im Konzentrationslager

Der Film gehört zu den zehn dokumentarischen Beiträgen des Panorama-Programms, das außerdem 19 Spielfilme umfasst. Eine der bewegendsten Dokumentationen hat der Schwede Magnus Gertten gedreht, der in Nelly & Nadine die Lebensgeschichten von zwei Frauen nachzeichnet. 1944 verliebten sie sich im KZ Ravensbrück und lebten später in Venezuela zusammen. Es ist eine sehr persönliche und zugleich politische Geschichte, was auch für die drei Dokus gilt, die aus Subsahara-Afrika zu sehen sein werden.

Ike Nnaebue geht in No U-Turn noch einmal auf die Reise von Lagos nach Tanger, die er als Teenager unternommen hatte, um ein besseres Leben in Europa zu finden –, und dann umkehrte. In No Simple Way Home verbindet Regisseurin Akuol de Mabior ihr Familiengeschichte mit der ihrer Heimat Südsudan.

Und in Nous, étudiants! zeigt Rafiki Fariala sein Leben und das seiner drei besten Freunde, die in Bangui studieren, der Hauptstadt der Zentralafrikanischen Republik. Der erste Film aus dem Fünf-Millionen-Einwohner*innen-Land, der überhaupt auf der Berlinale läuft, gibt erhellende, mitreißende Einblicke in den dortigen Alltag – und ist durchzogen von Gesängen, die die Studenten immer wieder anstimmen.

Bei den Spielfilmen fallen die Mutter- Töchter-Geschichten ins Auge. Eine besonders heftige erzählt The Apartment with Two Women von Kim Se-in: Mit Ende 20 lebt Yi-Jung noch bei ihrer Mutter Su-kyung, die sie alleine großgezogen hat. Die beiden sind in einer toxischen Spirale gefangen, die von Su-kyungs Seite auch körperliche Attacken auf die Jüngere einschließt.

Die Tochter von Fereshteh in Ali Asgaris Until Tomorrow ist erst zwei Monate alt. Die junge Frau kümmert sich ebenfalls allein um ihr uneheliches Kind, das sie vor ihren Eltern geheim hält. Als diese sich überraschend für einen Besuch ankündigen, beginnt für Fereshteh, die von einer Freundin begleitet wird, eine Odyssee durch Teheran. Das in der Tradition von Jafar Panahi und Asghar Farhadi stehende Drama ist teilweise spannend wie ein Krimi und demonstriert den geringen gesellschaftlichen Spielraum für Frauen im Iran.

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Da hat es die 39-jährige Clara, Philosophie-Doktorandin aus Berlin und Mutter einer Teenager-Tochter, schon einfacher. Doch auch die Protagonistin von Annika Pinskes Debütspielfilm Alle reden übers Wetter steht privat wie beruflich vor vielen Herausforderungen. Als sie die Geburtstagsfeier ihrer Mutter im ländlichen Mecklenburg-Vorpommern besucht, verzweifelt sie an der floskelhaften Kommunikation mit ihr und findet selbst keine rechte Verbindung zur eigenen Tochter.

Ein ungewöhnliches Mutter-Sohn-Verhältnis thematisiert der zweite deutsche Beitrag im Panorama: Grand Jeté von Isabelle Stever. Tanzlehrerin Nadja hat die Erziehung ihres Sohnes einst ihrer Mutter überlassen und taucht wieder auf, als dieser gerade volljährig ist. In der Wohnung der Oma beginnen die beiden eine Sex-Affäre. Vielleicht kein Skandalfilm, aber sicher ein kleiner Aufreger.

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