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Der Rias Kammerchor gehört zu den weltweit anerkanntesten Profi-Gesangsensembles der Welt.

© Oliver Look

Musikfest Berlin: Geistliche Werke zweier Brüder

Der RIAS Kammerchor und das Freiburger Barockorchester spielen unter Leitung von Justin Doyle Werke von Joseph und Michael Haydn.

Von Tye Maurice Thomas

„Ich war von der Welt abgesondert, niemand in meiner Nähe konnte mich an mir selbst irremachen und quälen, und so musste ich original werden." So beschrieb Joseph Haydn einmal den funkensprühenden Einfallsreichtum seiner Kompositionen, der am Sonntag beim Musikfest Berlin in der Philharmonie zu erleben war.

Der RIAS Kammerchor und das Freiburger Barockorchester unter der Leitung von Justin Doyle widmeten sich geistlichen Werken von Joseph Haydn und seinem weniger bekannten Bruder Michael.

Justin Doyle ist Chefdirigent des RIAS Kammerchores.
Justin Doyle ist Chefdirigent des RIAS Kammerchores.

© Oliver Look

Schon die ersten Takte von Joseph Haydns feierlichem Te Deum lassen aufhorchen. Der RIAS Kammerchor verbindet einen kraftvollen Klang mit schlanker Stimmführung und präziser Diktion, wobei die Männerstimmen durch ihre Resonanz positiv auffallen.

Michael Haydns Messe braucht den Vergleich nicht scheuen

Dass Michael Haydn zu Unrecht als Joseph Haydns provinzieller „kleiner Bruder“ bekannt ist, wird an der 1786 entstandenen doppelchörigen Missa Hispanica deutlich. Meisterlich stellt Michael, dessen Kontrapunktik sein Bruder sehr bewunderte, beide Chöre in einen klanglichen Dialog: Textbausteine fliegen in kunstvollen harmonischen Sequenzen hin und her und erreichen in der traditionellen „cum sancto spiritu“-Fuge ihren Höhepunkt.

Schade ist nur, dass im Grossen Saal die zwei Chöre nicht räumlich getrennt stehen, was den beabsichtigten Effekt noch verstärkt hätte. Das Freiburger Barockorchester unterstützt die Opulenz der Chöre mit klassisch schlankem, aber niemals blutleerem Klang.

Die Aufführenden stellen eindrucksvoll unter Beweis, dass zumindest diese Messe den Vergleich mit den Werken des Bruders nicht zu scheuen braucht.

Der Beginn der napoleonischen Kriege hinterliess seine Spuren in der, von Joseph Haydn selbst, als „Messe in Zeiten des Krieges“ betitelten Messe C-Dur, die nach der Pause erklingt. Martialisch drohend stören Paukenwirbel und Trompetenklänge die Bitten um Frieden und Gnade. Chor und Orchester erfüllen das 1796 entstandene Werk mit einer Dramatik, die anrührend und beklemmend aktuell ist.

Fast wie in einer antiken Tragödie tritt der Chor in einen Dialog mit den Solist:innen, unter denen die Sopranistin Johanna Wallroth besonders auffällt. Mit ungewöhnlich dunklem, gleichzeitig beweglichem Klang meistert sie die Registerwechsel in den Koloraturen des Laudamus Te. Einzig ihre Spitzentöne geraten dabei manchmal etwas dumpf.

Vom Bass Krešimir Stražanac, dem Haydn in der herrlichen Arie „Qui tollis“ sowohl strömendes legato als auch satte Tiefen abverlangt, hätte man sich in den tieferen Lagen mehr Präsenz gewünscht.

Ein interessanter Einfall ist der Einschub die Motette „Insanae et vanae curae“ nach dem Credo der Messe. Mit ihrer aufgewühlten Emotionalität wird die Dramatik des gelungenen Abends noch verstärkt.

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