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Entspannt. DSO-Chef Robin Ticciati.

© MUTESOUVENIR | KAI BIENERT

Musikfest Berlin: Duftöl ins Feuer

Erlöserdramen mit Dauerlächeln: Das DSO eröffnet seine Saison mit Wagner und Debussy.

Die Frage, wie man es mit Wagner hält, war für die auf ihn folgenden Komponisten elementar. So stark die Begeisterung für sein Musikdrama auch sein mochte, ihm zu folgen, erweist sich für eine ganze Generation als ebenso fatal wie für die Gralsritter, den Verführungen Kundrys zu erliegen. Kein Wunder also, dass Claude Debussy sich vom Bewunderer zum Kritiker Wagners wandelte. Nach dessen Triumph erschien die Suche nach einer genuin französischen Musik auch einem Überlebenstrieb zu folgen. Wagner und Debussy an einem Abend zu spielen, ist allein deswegen reizvoll.

Das Deutsche Symphonie-Orchester geht bei seinem Saisonauftakt noch einen Schritt weiter – und konfrontiert die Erlöserdramen der beiden Komponisten, „Parsifal“ und „Le martyre de Saint Sébastien“. Eine Programmierung, die über die letzte Aufführung des „Sébastien“ bei den diesjährigen Festtagen der Staatsoper hinausweist, als das Musikextrakt aus dem fünfstündigen Theaterschinken in einem reinen Debussy-Abend erklang.

Vergeblicher Liebesdienst

Robin Ticciati wählt als Wagners Beitrag das „Parsifal“-Vorspiel und eine von Claudio Abbado zusammengestellte Suite aus dem dritten Akt. Der DSO-Chefdirigent beginnt seine zweite Berliner Spielzeit deutlich entspannter, auch wenn seine Hände auf einen Konflikt hindeuten: in der Rechten der klar schlagende Taktstock, während die Linke sich kräuselt, als ob sie die vorgezeichneten Linien zumindest stückweise wieder auflösen wollte. Im Vorspiel kann daraus tatsächlich Spannung entstehen. Ticciati gelingt es, das durchaus schmerzhafte Ringen um Erlösung als etwas zutiefst Menschliches zu zeigen, sein Orchester folgt ihm darin mit feiner Überzeugungskraft. Da erscheint es als Rückschritt, wenn Abbados Suite mit dem Pomp getaufter Gewissheit einsetzt und der mächtige Stimmeneinsatz trotz des Rundfunkchors nur wenig Nachhall erzeugt.

Als unrettbar erweist sich hingegen Debussys „Sébastien“. Die Dichtung von Gabriele D’Annunzio wirkt auch auf wenige Verse reduziert als Nervengift auf eine Musiksprache der eleganteren Art. Unerträglich schwülstig werden Adonis-Sage und der die Pfeile auf sich ziehende Märtyrer Sébastien verschmolzen. Erzählerin Felicity Lott schüttet zusätzlich schweres Duftöl ins Feuer. Ticciatis Bemühen, hier einen einheitlichen Stil ausfindig zu machen, führt zu festgefahrenem Dauerlächeln. Ein aufwendiger, letztlich vergeblicher Liebesdienst.

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