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Strahlkräftig. Nachtansicht des neuen Bauhaus-Museums in Dessau.

© imago images / Hartmut Bösener

Museumsbau eröffnet in Dessau: Ein neues Haus für das Bauhaus

Viel zu sehen, viel zu streiten: Dessau eröffnet sein neues Bauhaus-Museum. Der richtige Ort, um an das Labor der Moderne zu erinnern.

Von jetzt an muss sich der Besucher Dessaus entscheiden, in welche Richtung er laufen oder fahren will, um „das“ Bauhaus zu erleben: in Richtung historisches Bauhaus-Gebäude oder in Richtung Bauhaus-Museum. Das historische Gebäude von Bauhaus-Gründer Walter Gropius, Ende 1925 eröffnet, lag damals am Rande der Stadt und ist nach wie vor durch die Bahnlinie von ihr abgetrennt. Das Museum hingegen, brandneu und mit einer Ansprache von Kanzlerin Merkel am Sonntag zu eröffnen, liegt in einem Park, der einmal das Zentrum der Industriestadt bezeichnete und nach den Kriegszerstörungen eine begrünte Brache ist.

Der Neubau gibt seinen Inhalt nicht preis. Es ist eine Kiste, ein verglaster Kasten, der eher verschlossen als einladend wirkt; nicht zuletzt, weil die in gleichförmige Rahmen gefassten Fenster mit einem engen Punktraster bedruckt sind, um das Innere vor Aufheizung zu schützen. Aber das Erdgeschoss ist frei, auch frei zugänglich; eine Versammlungs- und Aktionsfläche, als die sie jedenfalls künftig genutzt werden soll. Das eigentliche Museum befindet sich in einem schwarzen Kasten, der wie eine Brücke zwischen die beiden seitlichen Treppentürme eingehängt ist und den Abstand von 50 Metern zwischen beiden stützenfrei überdeckt.

Insgesamt ist der Kasten exakt 99 Meter lang und 18 Meter breit und schwebt in fünf Metern Höhe über dem Erdgeschoss. Warum eine black box? Weil sich darin, vor Tageslicht geschützt, die empfindlichen Objekte der Sammlung, die zu einem großen Teil aus aus Papier, Büchern, Dokumenten, Plänen und Fotografien besteht, gerade so präsentieren lassen wie die dreidimensionalen Schaustücke, voran die Möbel und Einrichtungsgegenstände.

Erst jetzt kommt der Reichtum der Sammlung zur Geltung

Bislang ist die Dessauer Sammlung nicht ebenso hervorgetreten wie ihre Schwestern in Weimar und vor allem Berlin – eben der Schwierigkeit halber, sie konservatorisch richtig zeigen zu können. In dieser Hinsicht ist das historische Bauhaus schlicht ungeeignet. Jetzt erst kommt der Reichtum der nicht weniger als 49.000 Objekte umfassenden Sammlung zur Geltung – und man ist, auch wenn man durch die Bestände in Berlin und des ebenfalls neuen Museums in Weimar verwöhnt ist, überrascht und regelrecht begeistert.

Natürlich kann man fragen, ob so viele Bauhaus-Inkunabeln zum zweiten oder gar dritten Mal museal vorgeführt werden müssen, und sei es in einer neuerlichen Rekonstruktion wie der „Licht-Raum-Modulator“ von László Moholy-Nagy, der seine Farb- und Schattenspiele zuverlässig auf so ziemlich jeder bisherigen Bauhaus-Ausstellung vorführen durfte. Oder die Figurinen des „Triadischen Balletts“ von Oskar Schlemmer. Oder oder.

Aber hier ist der richtige Ort, der „richtigste“, wenn man so will, denn in Dessau erlebte das Bauhaus seine Blütezeit der Jahre 1926 bis 1932. Hier wurde mit Energie, aber auch mit einer gewissen, wachsenden Frustration versucht, Prototypen für die Massenfertigung der Industrie zu finden, was sich in der Praxis als schwierig erwies. Von dieser Blütezeit zeugt das leuchtend orangerot gestrichene Stahlregal, das die Ausstellungshalle der Länge nach durchschneidet und das als abwechslungsreiches Präsentationsgestell für Möbel, Textilien, Architekturmodelle dient und zudem herausziehbare Fächer birgt, in denen besonders empfindliches Papier hinter Glas zu betrachten und möglichst bald wieder in die Dunkelheit zurückzuschieben ist.

Die Geschichte einer Schule in Lehrer-Schüler-Beziehungen

Alle Möbel, vor allem Stahlrohrmöbel, derer man sich als bauhaus-typisch entsinnt, alle Leuchten, alles Geschirr ist zu finden, in einer nicht chronologischen, sondern nach Materialien oder Themen geordneten Vorführung, die eine – historisch nicht ganz korrekte – Gleichzeitigkeit der Entwürfe vorspiegelt. Aber es geht im Kern nicht um die Objekte, sondern um die Darstellung einer Schule, um Lehrende und Studierende, um den Prozess mehr als um das Ergebnis.

Die Kuratoren, Regina Bittner und Wolfgang Thöner von der Stiftung Bauhaus sowie Dorothee Brill als freie Kuratorin, versuchen es über die Personalisierung von Lehrer-Schüler-Beziehungen, beispielsweise Adolf Arndt und Chanan Frenkel – wobei Arndt sich 1937 der NSDAP andiente und Frenkel, bereits vor seinem Studium nach Palästina emigriert, dort zu einem der wichtigsten Baumeister des neuen Staates Israel wurde. Es ging im Bauhaus, so Regina Bittner, „um die Entfaltung der Persönlichkeit, nicht um die Ausbildung der Profession“. Andere „Paare“ beleuchten Paul Klee und Gunta Stölzl (die bald selbst „Meisterin“ wurde) oder Joost Schmidt und Franz Ehrlich, der später zu einem bedeutenden Architekten der jungen DDR wurde. Und es geht um Hannes Meyer, den zweiten und später davongejagten Bauhaus-Direktor, und Konrad Püschel.

Merkwürdigerweise bleibt in der neuen Dessauer Präsentation der politische Akzent unterbelichtet, fehlen die heftigen Konflikte, die innerhalb des Bauhauses ausgetragen wurden. Nur die widerlichen Kommentare, die die Dessauer Lokalpresse der Lehrstätte entgegengeschleuderte, werden in einer Audioinstallation vernehmbar gemacht: Da ist von „Judenkaschemme“ die Rede, von „Schädlingsbaustelle“ und der „allmählichen Vernichtung des Handwerks“. Dass „trotz revolutionären Experimentierens wenig Erfolg, kaum wirtschaftlicher Nutzen“ zu konstatieren war, trifft allerdings den wunden Punkt der von Gropius zum „Versuchslabor der Industrie“ geadelten Lehranstalt.

Die Kosten blieben im Rahmen, das Dach ist begrünt

Es gibt genug zu sehen, zu studieren, auch zu rechten und zu streiten im neuen Dessauer Museum. Nichts zu rechten gibt es über die Baukosten, die mit knapp 30 Millionen Euro nur indexbedingt über den budgetierten 25 Millionen Euro liegen. In Berlin würde man dafür wohl nicht einmal die Unterkellerung bekommen. Dass das Gebäude der jungen spanischen Architekten Gonzales Hinz Zabala, die sich über die deutsche Regulierungswut wunderten, nicht höchsten Maßstäben der Energieeffizienz genügt, hat eben mit der geringen Bausumme zu tun: Dafür, so Roberto Gonzalez, konnte man die riesigen Fenster nicht als Fotovoltaikflächen ausbilden, wie ein neunmalkluger Journalistenkollege bemängelte.

Immerhin ist das Dach begrünt, um den Dessauern das Stückchen Park zurückzugeben, das der Bau ihnen genommen hat. Als ob sich hier jemand darüber beklagen würde, dass seine Stadt endlich einen zweiten Standort unter dem Label „Bauhaus“ bekommen hat.

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