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Ein Film im Film. Adèle Haenel spielt die durchgeknallte Cutterin Denise.

© Koch Films

Stilvolle Anarchie statt Arthouse: „Monsieur Killerstyle“ ist herrlicher Nonsense mit Starpower

Im neuen Streifen von Quentin Dupieux drehen Adèle Haenel und Jean Dujardin einen Film in den Alpen: über eine Wildlederjacke mit höheren Ambitionen.

Georges (Jean Dujardin) steckt in einer Lebenskrise. Wenn sich das nicht schon durch sein erratisches Verhalten andeutet – er versucht einer plötzlichen Eingebung folgend seine Kordjacke auf dem Klo einer Tankstelle runterzuspülen –, wird das spätestens nach einem Telefonat mit seiner Frau klar, die ihm das gemeinsame Konto sperrt.

Seine fragil gewordene Männlichkeit kompensiert Georges jedoch nicht, indem er sich einen schnittigen Sportwagen zulegt oder eine jüngere Liebhaberin. Das Objekt seiner Begierde ist vielmehr eine Jacke aus echtem Hirschwildleder. Western-Style, mit Fransen, die sein breites Kreuz betonen. Ein echtes Prachtstück.

Für Quentin Dupieux („Die Wache“) ist das noch ein verhältnismäßig alltägliches Szenario. Der französische Regisseur, als House-Musikproduzent Mr. Oizo bekannt geworden, erzählt in seinen Filmen gewöhnlich von mordenden Autoreifen oder Filmemachern auf der Suche nach dem perfekten Schmerzensschrei.

„Monsieur Killerstyle“ – auch ein neuer Preiskandidat im Wettbewerb um den blödesten deutschen Verleihtitel – spielt in den französischen Alpen. Ausgewaschene Grau- und Grüntöne bestimmen die Farbpalette. Dupieux mag auf den ersten Blick wie ein Verfechter der Anarchie auf der großen Leinwand wirken, doch seine Filme sind das Ergebnis genau durchdachter Stilisierungen.

In „Monsieur Killerstyle“ wirken die Innenräume auf den ersten Blick gewöhnlich: abgewohnte Hotelzimmer, eine Provinzkneipe, in fifty shades of brown gehalten, mit Blümchentapeten und Landhausmöbeln anheimelnd ausstaffiert und dabei völlig reizarm, im doppelten Sinne hölzern. Entsprechend angeödet schaut Denise (Adèle Haenel) drein. Sie steht in dem Kaff, in dem Georges mit seiner neuen Jacke strandet, hinter dem Kneipentresen.

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Spontan gibt er sich als Filmemacher mit einer in Sibirien eingeschneiten Filmcrew aus. Bei Denise, die in ihrer Freizeit gerade „Pulp Fiction“ chronologisch umgeschnitten hat, rennt er damit offene Türen ein. Georges engagiert sie als Cutterin, später steigt sie zur Produzentin auf. Die Protagonistin des Films ist schnell gefunden: die Wildlederjacke, die inzwischen mit Georges’ Bauchrednerstimme spricht und ihm ihren größten Traum anvertraut. Sie will die einzige Jacke auf der Welt sein.

[6.9. Freiluftkino Cassiopeia, 20 Uhr, ab 10. September auf DVD]

Zu sehen, wie der oscarprämierte Dujardin und César-Preisträgerin Haenel mit heiligem Ernst diesen Nonsens durchexerzieren, ist ein Riesenspaß – und ein anarchischer Fingerzeig in Richtung avanciertes Arthousekino. Auch wie Dupieux seine Stars mit radikaler Konsequenz für einen 77-Minüter verbrennt, an dessen Ende ein nicht geringer Teil des Publikums sich fragen wird, was zum Teufel sie da gerade gesehen haben.

Dupieux interessiert sich immer schon für Objektbeziehungen: Die Jacke wird zum Sinnbild seines neuen Ich. Doch erst mit einem billigen Camcorder bekommt er das Instrument in die Hand, um seine Obsession auszuleben. Wie ein Fetischfilmer richtet er die Kamera auf die Jacke; die pixeligen Aufnahmen spiegeln Dupieux’ eigene Arbeit. Und die Obsession eines Autodidakten, besessen von abstrusen Ideen, der mit der Kamera im holzvertäfelten Landhausbiedermeier den Wahnsinn einbrechen lässt.

Katrin Doerksen

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