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1300 Laien sangen zusammen mit den Profis vom Rundfunkchor

© Peter Adamik

Mitsingkonzert des Rundfunkchors Berlin: Humanistische Botschaft

Hunderte von Amateursängern gestalten beim „Mitsingkonzert“ zusammen mit den Profis vom Rundfunkchor Berlin Joseph Haydns Oratorium „Die Schöpfung“ in der Philharmonie.

Von Keno-David Schüler

Zum ersten Mal seit Corona lädt der Rundfunkchor Berlin zum traditionellen Mitsingkonzert in die Philharmonie – und rund 1300 Amateure aus aller Welt finden sich zum Riesenchor zusammen. Nach nur zwei Proben führen sie Joseph Haydns monumentales Oratorium „Die Schöpfung“ auf. Das Format mit Happening-Charakter bietet Musikenthusiasten die außergewöhnliche Gelegenheit, mit professionellen Sängern unter der Leitung von Simon Halsey ein großes chorsinfonisches Werk anzugehen.

„Schöpferisches“ Happening

Die Amateurchöre sind auf den Rängen um die Bühne herum aufgestellt. Als Zuhörer sind wir mittendrin – die optimistische Botschaft der Haydn’schen Musik dringt ebenso umarmend wie klanggewaltig aus allen Richtungen auf uns ein. Auch programmatisch stehen „wir“ im Mittelpunkt: Das Oratorium erzählt die biblische Schöpfungsgeschichte und mündet im überbordenden „Lobpreis der Krone der Schöpfung“, des Menschen.

Simon Halsey leitete das Mitsingkonzert

© Peter Adamik

Im Sinne der Aufklärung gehört - nachdem sich „der Höllengeister Schar“ gleich zu Beginn aus dem Staub gemacht hat - die neue Zeit allein uns, den mutigen, starken und überdies vernunftbegabten Wesen. Der humanistische Geist, der aus dem 1798 vollendeten Werk spricht, mag freilich in Hinblick auf die großen vom Menschen zu verantwortenden Krisen unserer Zeit irritieren. Fernab dualistischer Utopie ließe sich nun aber doch die an Adam und Eva gerichtete Warnung des Erzengels Uriel, nicht der Verführung zu verfallen „noch mehr zu wünschen als ihr habt“, als progressive wie aktuelle Botschaft mit nach Hause nehmen.

Zeitlos frisch

Ungeachtet dessen spricht Haydns so frische, einfallsreiche Musik für sich. Genial gelingt die Verschmelzung von überwältigend hymnischen Engelschören, realistisch-humorvollen Naturnachahmungen mit Volkstümlichkeit sowie anregendem Kontrapunkt. Der umfangreiche Orchesterapparat steuert die ästhetischen Effekte bei: So beispielsweise gleich zu Beginn, wenn das vorschöpferische Chaos in wild modulierenden, harmonischen Verrenkungen dargestellt wird und erst vom Chor-Einsatz „Es werde Licht“ in strahlendem C-Dur überwunden wird.

Simon Halsey gelangt mit dem Ensemble zu ausgelassenem Musizieren und behält stets Tuchfühlung zu Mitsängern und Publikum. Einfühlsam getragen wird das Solistenensemble bestehend aus Carolyn Sampson (Sopran), Benjamin Hulett (Tenor) und William Thomas (Bass). Gerade letzterer überzeugt in kompromissloser Musikalität, dabei stimmlich flexibel und facettenreich. 

Das Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin schlägt sich derweil wacker und trumpft mit schlankem und doch intensivem Streicherklang auf. Die eifrig besorgten Blechschäden in den Hörnern sowie einige missglückte Rezitativbegleitungen gehen dann schnell im rauschenden Schlussapplaus unter. Im kommenden April darf man sich auf das nächste Mitsingkonzert freuen, dann mit Mendelssohns „Elias“.

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