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„Darmstadt“, zu sehen in der Ausstellung „Utopia“ in der Galerie Springer.

© Georges Rousse, 2015

Fotografien von Georges Rousse: Mit Farbe die architektonische Form betonen

Veränderung seines Konzepts als Grundprinzip: Die Galerie Springer zeigt Fotos des französischen Künstlers Georges Rousse.

Ein Unbekannter ist Georges Rousse in Berlin nicht mehr. Die Galerie Springer hat den französischen Künstler seit 2011 in ihrem Programm und zeigt jedes Mal komplett andere Arbeiten. Denn die Veränderung seines Konzepts von Architekturfotografie gehört zu den Grundprinzipien des 1974 in Paris geborenen Künstlers, der als Sohn eines Offiziers die ersten Kindheitsjahre bei Koblenz verbrachte. 

Doch prägender als die zeitweilige deutsche Umgebung war für ihn eine Fotokamera, sein Weihnachtsgeschenk mit zehn Jahren. 

Später studiert er Medizin, wendet sich jedoch bald ausschließlich der Fotografie zu, gründet in Paris ein eigenes Studio und reist, seit sich die ersten Erfolge einstellten, gern durch die Welt, immer auf der Suche nach aufregenden, aufgegebenen Räumen, deren Struktur er mit teilweise riskanten Eingriffen bloßlegt und kühn mit verschiedenen Zeichen und Mustern versieht, bevor er sie fotografiert.

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Wer vor Rousses Arbeiten steht, könnte meinen, die roten Kreise, Quadrate und Dreiecke seien nachträglich in die Bilder kopiert. Das wäre das einfachste Verfahren, doch Georges Rousse trägt, was so hinzugefügt anmutet, direkt auf die Fläche auf, ohne zu zögern, hier und da den Untergrund zu bearbeiten, damit der monochrome Farbauftrag einen täuschenden räumlichen Effekt hervorbringen kann.

Kobaltblau, ein kräftiges Rot oder Goldgelb dominieren. Überzeugend scheint dieses Verfahren vor allem dann, wenn die Farbe halbdurchlässig ist und die architektonische Form betont, zum Beispiel im japanischen Shodoshima die leichte Fachwerkkonstruktion eines alten Saales, der ohne Rousses „Bemalung“ vielleicht trist wirken würde. 

Ganz anders war die Vorgehensweise bei dem früheren, sanierungsbedürftigen Wohnhaus Fernand Légers in Argentan in der Normandie, wo der Eingriff einen kreisrunden Durchblick durch Wände und Decke auf das freiliegende Balkengerüst des Nachbarzimmers ermöglicht.

Fotografien aus ehemaliger Folterstätte der Roten Khmer

Ein Spiel, eine Manie beim Erforschen architektonischer Räume? Oder geht es Rousse um eine meditative Übung, zu der das große Format den Betrachter nachdrücklich einlädt? Sollte sich hinter dem viel versprechenden Ausstellungstitel „Utopia“ ein schwer zu fassender visionärer Sinn verbergen oder doch nur die Koketterie mit einem klingenden Wort?

Manche Orte zu fotografieren, bedeutet freilich, Zeichen zu wählen, die Stellung beziehen. In einer ehemaligen Folterstätte der Roten Khmer in Phnom Penh installiert oder malt er, das weiß man bei ihm nie ganz genau, mitten in den leeren Raum, wo vermutlich Hunderte Menschen gequält wurden, eine freistehende viereckige Trennwand, deren kreisrunde Öffnung den Blick zu einem verschlossenen Tor freigibt, dem Weg in die Freiheit.

Gerade diese Arbeit ist – wie kaum eine andere in dieser Ausstellung – ein symbolischer Versuch, dem Betrachter mehr zu geben als den schönen Schein (Einzelpreis je nach Format und Auflage: 3800–25.000 Euro).
[Galerie Springer, Fasanenstr. 17; bis 1. August, Di–Fr 12–18 Uhr, Sa 12–15 Uhr]

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