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Die Bären-Jury der 72. Berlinale (v.l.): Regisseur Ryusuke Hamaguchi, Autorin Tsitsi Dangarembga, Produzent Said Ben Said, Regisseurin Anne Zohra Berrached, Schauspielerin Connie Nielsen, Regisseur Karim Aïnouz.

© dpa/Jens Kalaene

Die Bären-Jury der 72. Berlinale: Mister Shyamalan, wie war Ihr erster Kinobesuch?

Prägende Erinnerungen - und was bitte ist ein guter Film? Die siebenköpfige Wettbewerbs-Jury unter Leitung von M. Night Shyamalan stellt sich vor.

Das wird eine Berlinale der Regisseurinnen und Regisseure. Zur Eröffnung mit „Peter von Kant“ fehlen die beiden größten Celebrities: Isabelle Adjani und Hanna Schygulla sind nicht angereist. Auch in der Wettbewerbsjury findet sich lediglich eine Schauspielerin, „Wonder Lady“ und „Gladiator“- Star Connie Nielsen aus Dänemark. Im dritten Festival-Jahrgang unter Carlo Chatrian sind die Stars ein weiteres Mal vor allem die Kreativen hinter der Kamera.

Verhaltene Stimmung im Konferenzsaal im Hyatt am Potsdamer Platz, zunächst jedenfalls. Es ist eben doch etwas anderes, mit Abstand auf dem per Online-Ticket angegebenen Platz auf die diesjährige Bären-Jury zu warten und nicht mit dem Lieblingskollegen über Festivalvorfreude und Pandemieskepsis zu plaudern.

Aber dann steigt die Laune, kaum dass eine Kollegin nach den ersten Filmerlebnissen der Jury-Mitglieder fragt. Jury-Präsident M. Night Shyamalan wurde als ängstliches Kind von einem Freund mitgeschleppt. Ein 1200-Plätze-Kino, es war schon voll, sie konnten nicht zusammensitzen, ein Pärchen brachte dem sichtlich eingeschüchterten Jungen eine Tüte Popcorn.

Spielbergs „Jäger des verlorenen Schatzes“ hat ihn dann aber so beeindruckt, dass sein Berufswunsch danach feststand. Dieses irre Gefühl wollte er gern wieder haben – und selber kreieren.

"Das Kino war immer eine Religion für mich", sagt Produzent Said Ben Said

Ja, es hat etwas von Kirche, bestätigt der Regisseur von „The Sixth Sense“, von Genre- und Horrorfilmen, was zuvor der Produzent Saïd Ben Saïd („Synonymes, Goldener Bär 2019) gesagt hatte: „Das Kino war immer eine Religion für mich. In der Hinsicht bin ich ein sehr frommer Mensch.“ Es sei toll, auf dem Festival wieder zusammen in die Kirche, sprich: ins Kino gehen zu können.

Der Autorin und Filmemacherin Tsitsi Dangarembga aus Simbabwe, Friedenspreisträgerin des Deutschen Buchhandels 2021, waren die Lichtspieltheater lange verwehrt. Eine bittere Erinnerung: Ihr Vater liebte das Kino, aber Schwarzen war der Besuch nicht erlaubt. Deshalb begann Dangarembgas „Liebesaffäre“, wie sie es nennt, im Autokino. Gegen ein drive-in cinema sprach nichts in Zeiten der Rassentrennung.

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Beim diese Woch frisch oscar-nominierten „Drive My Car“-Regisseur Ryusuke Hamaguchi war es „Zurück zur Zukunft II“: Vehikel spielen da ja ebenfalls eine Rolle, wenn auch vollkommen anders als in seinem stillen Japan-Film. Bei seiner deutschen Kollegin Anne Zohra Berrached („24 Wochen“, „Die Welt wird eine andere sein“) war es ein Klassiker, Alfred Hitchcocks „Fenster zum Hof“. Bei Connie Nielsen, deren Ur-Großeltern bereits ein Kino betrieben, begann es mit dem Wunsch der Mutter, die Tocher möge sich nicht herumtreiben. Sie schickte das Kind ins Kino, wo aber ausgerechnet Uli Edels „Christiane F. – Wir Kinder vom Bahnhof Zoo“ lief. Seitdem wusste Nielsen: Kino, das ist nicht nur Marilyn Monroe und Sonntags-TV – in Dänemark lief sonntags immer ein Kinofilm im Fernsehen.

Jury-Präsident ist der US-Regisseur M. Night Shyamalan ("The Sixth Sense").

© AFP/Stefanie Loos

Verrückt, wie die simple Frage nach einer prägenden Kino-Erinnerung noch im späten TV-Zeitalter Persönliches an den Tag bringt, und Politisches dazu. Karim Aïnouz, auf der Berlinale zuletzt 2020 mit der Doku „Nardjes A.“ zu Gast, baut in all seine Filme eine Tanzszene ein, seit er John Travolta in „Saturday Night Fever“ tanzen sah. Film als Feier des Lebens, daran liegt ihm seitdem.

Nun bitte noch die obligatorische Auskunft über Qualitätskriterien bei der Beurteilung der 18 Bären-Kandidaten. Und die Gretchenfrage, wie viel Mainstream und wie viel Independentfilm es sein darf. Eine Kluft, die es zu überwinden gilt, da sind die sieben sich einig. Gerade die Genrefilme von Shyamalan seien gleichermaßen Blockbuster-fähig und eigenwilliges Experiment.

Hat ein Film das Publikum im Blick oder will ein Künstler seinen eigenen Blick mit anderen teilen? Gute Filme, sagt Shyamalan, tun beides. „Ich sehe euch, liebe Zuschauer, vielleicht seht auch ihr mich ein bisschen.“ Wenn das kein Motto für die 72. Berlinale ist.

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