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Katy Perry in der Großarena am Berliner Ostbahnhof.

© dpa

Katy Perry live in Berlin: Mein wunderbares Zuckerguss-Universum

Knallbuntes Popspektakel: Katy Perry lädt in Berlin zu einer ausgelassenen Gute-Laune-Show.

Möchte man Katy Perry als Nachbarin haben? Unbedingt. Herrliche Aussichten wären das. Sie würde garantiert stets ihre Hilfe anbieten, von Kartoffeln ausleihen über Blumengießen bis Partyhit-Mixe zur Verfügung stellen, und dazu rote Satin-Morgenmäntel und lustige Anti-Falten-Gurkenmasken tragen.

So unrealistisch ist diese Vorstellung gar nicht: „Ich liebe dich, Berlin“, gurrt die kalifornische Sängerin bei ihrem Konzert in der fast ausverkauften Großarena am Ostbahnhof mehrfach ins Mikrofon, auf Deutsch sogar, mit einem gar nicht mal so aussichtslosen „ch“. Um dann auf Englisch hinzuzufügen: „Ich stehe auf alles hier, auf euren Style, euren Mut, eure Kunst – ich glaube, ich muss mir in Berlin eine Wohnung suchen!“. „Gentrifizierung“, mault es da zwar leise aus Block 206. Aber das geht unter in der guten Laune, die die Halle erfüllt.

Man könnte Katy Perry eine gewisse musikalische Ideenlosigkeit vorwerfen, vor allem auf ihrem aktuellen fünften Album „Witness“. Doch mir ihr keinen Spaß haben – das geht nicht. Es ist ohnehin nie die Musik gewesen, die die 33-Jährige aus der Menge der Popsängerinnen heraushob, dafür sind die Songs größtenteils zu uninspiriert. Ihr erster klarer Hit „I Kissed A Girl“ von ihrem 2008 erschienenen zweiten Album, das durch die queere Aussage („...and I liked it!“) wie eine bunte Badebombe in den Kinderzimmern einschlug, ist dabei eine Ausnahme. Auch auf dem neuen Album, das von schwedischen und US-amerikanischen Größen des professionellen Unterhaltungsbusiness wie dem Britney-Spears-Intimus Max Martin oder Kanye Wests Kumpel Jeff Bhasker produziert wurde, gibt es mit „Swish Swish“ oder „Bon Appétit“ solide Dancetracks mit hervorragenden Gästen.

Mix aus Puppenstube und Jeff Koons-Skulptur

Außergewöhnlich sind bei Perry vor allem die Visualisierungen: Die Videos zu den beiden letzteren Songs sind für sie typische, knallige Hochglanz-Popfantasien, ein Mix aus Puppenstube und Jeff Koons-Skulptur, in denen Perry wahlweise als Hauptmenü von verschiedenen Köchen aus dem Gefrierfach geholt, geknetet und bemehlt, eingeölt und gekocht wird („Bon Appétit“), oder als Teil einer Loser-Basketballtruppe bei einem irren Spiel doch noch die Kurve kratzt, weil Nicki Minaj ihr ein bisschen von ihrem Mojo abgibt („Swish Swish“).

Live kratzen Perry und ihre Showproduzenten schonungslos alles hervor, was die 80er an Farben, Formen und Ideen auf dem Buckel hatten. Vor einem gigantischen „Sauron“-Auge, dessen Pupille und Augapfel Leinwände sind, erschaffen sie obskur-spacige Welten, in denen bei „Chained To The Rhythm“ meterhohe, von Puppenspielern geführte Figuren mit Fernsehköpfen herumstolzieren. Perry spielt mit den Themen Weltraum und Raumfahrt, singt von einem fliegenden gläsernen Stern oder einem wunderschönen, gemütlichen kleinen Saturn herunter und lässt im Hintergrund Space-Trip-Fahrten ablaufen, die Snaps „Welcome To Tomorrow“ noch älter aussehen lassen.

Gespielte Witze mit "Left Shark"

Später bekennen sich Perry, ihre in 1001-Dalmatiner/Pollock-Fleckenmuster gekleidete, einwandfreie Backingband und ihre Truppe tapferer Tänzerinnen, deren Köpfe immer wieder in aufsetzbaren Accessoires verschwinden, eindeutig zur rosa-gelb-hellblauen Miami-Teletubbies- Farbskala, bei der man sich in einen Cupcake-Laden versetzt fühlt. Oder in die Muppet Show: In einer ewigen Sequenz führt sie mit „Left Shark“, einem Mann im Haikostüm, der bei ihrem Super Bowl-Auftritt 2015 ein so unsinniges wie klassisches Popphänomen wurde, gespielte Witze auf – wie einst Lilo Pulver mit Samson und Tiffy. Sie ist aber auch derartig 80s-go-2010s in ihrem Style! Zu „Hot N Cold“ trägt sie ein Oberteil mit LED-Lampen, auf dem – na was wohl – abwechselnd „HOT“ und „COLD“ aufleuchtet, und es ist sehr süß, wie sie sich vom Publikum gutgelaunt die Worte „heiß“ und „kalt“ beibringen lässt.

Überhaupt hat sie große Lust auf die begeisterten Fans im Saal. Zu „Swish Swish“ holt sie einen hibbeligen Fan nach oben. „I have a funny name“, hatte der Halbnackte auf ihre Frage nach seinem Namen etwas verlegen geantwortet, und Perry, schlagfertig ist sie auch, kontert: „That’s not the only funny thing about you...“. Er heißt übrigens Modi oder so ähnlich, und er ist wahrlich nicht der einzige, der nach dem Konzert glücklich nach Hause geht. Katy Perry flirtet mit einem kleinen Mädchen auf den Schultern seines Vaters, denn neben queeren Männern und Frauen sind Kinder und ganz junge Teens vielleicht die Gruppe, die Perrys Bildwelt am besten goutieren können, weil sie der Hektik und dem Ideenreichtum von „The Lego Movie“ und der Akrobatik von „Cirque du Soleil“, an die man sich immer wieder erinnert fühlt, gerade erst entwachsen sind.

Am Ende, nachdem sogar sämtliche älteren Hits wunderbar abgeliefert sind, kommt sie zur Zugabe auf einer Dali-Uhr mit heruntergefallenen Zahlen zurückgeschwebt, und singt „Pendulum“. Und wie gesagt: Als Nachbarin wäre sie sicher top. Obwohl man ihr vielleicht nicht unbedingt beim Umzug helfen möchte.

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