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Warten auf Hughes. Warren Beatty spielt den exzentrischen Milliardär zwischen Tragödie und Farce.

© 20th Century Fox

Kinokomödie „Regeln spielen keine Rolle“: Mein Gott, Alter

Rückkehr einer Hollywoodlegende: Warren Beatty nimmt sich in der Komödie „Regeln spielen keine Rolle“ den Mythos Howard Hughes vor.

Von Andreas Busche

Alte, weiße, reiche Männer werden in den kommenden Jahren im US-Kino ganz sicher eine neue Hochkonjunktur erleben. Wahlweise als sterbende Spezies einer an ihrer eigenen kulturellen und biologischen Homogenität zugrunde gehenden Gesellschaftsordnung oder als Parodie auf einen Archetypus der amerikanischen Gründergeschichte. Warren Beatty versucht mit seinem period picture „Regeln spielen keine Rolle“ über den exzentrischen und gegen Ende seines Lebens hochgradig paranoiden Milliardär Howard Hughes von beidem ein wenig, ohne dass der amtierende US-Präsident wie ein lästiger Hausgeist ständig im Hintergrund herumpoltert. Die Parallelen zum Milliardär Trump sind eher willkürlich, wobei der Zeitpunkt für Beattys erste Regiearbeit seit seiner brillanten Politsatire „Bulworth“ von 1998 auffällig ist. In den USA kam „Rules don’t apply“ eine Woche nach der Wahl in die Kinos.

Beatty trägt die Idee zu einem Film über Hughes, der als Industrieller und Luftfahrtingenieur seine Hände in fragwürdigen Rüstungsgeschäften und als Filmproduzent einen Fuß in der Glamourwelt Hollywoods hatte, seit Jahrzehnten mit sich herum. Für seine Generation besitzt der öffentlichkeitsscheue Hughes eine mythische Größe, weil sich in dessen Persona sowohl der Pionier- und Unternehmergeist als auch das Scheitern des amerikanischen Glücksversprechens wie in keiner anderen Biografie des 20. Jahrhunderts manifestiert. Martin Scorsese konzentrierte sich in seinem etwas zu ernsthaft-pompösen Biopic „Aviator“ auf Hughes’ frühe Jahre und dessen Ruf als Schürzenjäger – rückblickend eine unglückliche Mixtur aus Hagiografie und „Hollywood Babylon“, Kenneth Angers bösartiger Klatschbibel.

Hände weg vom Merchandise

Beatty, der gerade achtzig geworden ist, schwebt mit „Regeln spielen keine Rolle“ etwas dezidiert anderes vor, obwohl selbst nach über zwei Stunden nicht ganz deutlich wird, worin sein jahrzehntelanges Interesse an der amerikanischen Legende Hughes, die die Hollywoodlegende selbstredend höchstpersönlich spielt, besteht. Eitelkeit kommt als Motiv eher nicht infrage, weil Beatty die meiste Zeit aus dem Halbdunkel agiert und sein unscharfes Spiel frappierend an den fahrigen Auftritt auf der diesjährigen Oscar-Verleihung erinnert.

Der Film spielt in dem kurzen Zeitraum zwischen 1958 und 1964, als Hughes langsam aus der Öffentlichkeit abtauchte – 1966 bezog er die obersten zwei Stockwerke des Desert Inn in Las Vegas – und einen Prozess mit dem Aufsichtsrat seiner Fluggesellschaft TWA riskierte. Der Visionär Hughes wollte seine Flotte von Propeller- auf Turbinenantrieb umstellen, doch sein zunehmend erratisches Verhalten veranlasste seine Geschäftspartner, die geistige Gesundheit des Tycoons öffentlich infrage zu stellen. Eine weitere Parallele zu Trump.

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Diese historischen Umstände flirren zwar im Hintergrund von „Regeln spielen keine Rolle“ herum, aber lange erscheint es, als wäre Hughes nicht mehr als eine historische Bezugsgröße für die eigentliche Geschichte: der Romanze zwischen Marla Mabrey (Lily Collins), der hinreißenden Apfelblütenprinzessin aus dem Süden, und Frank Forbes (Alden Ehrenreich), einem kleinen Angestellten im Hughes-Imperium. Frank arbeitet als Chauffeur. Sein Job besteht darin, junge Starlets wie Marla, die der notgeile Filmmogul mit dem Versprechen auf eine Hollywoodkarriere aus dem ganzen Land einfliegen lässt, tagsüber durch die Gegend zu kutschieren.

Auf den ersten Blick stehen der Romanze zwischen Marla und Frank zwei Dinge im Weg. Einerseits die unverbrüchliche Hausregel, dass kein Bediensteter Hand an das Merchandise des großen Howard Hughes anlegen darf – Matthew Broderick kultiviert als Hughes’ windiger Assistent Levar Mathis eine nicht-invasive Form von Übergriffigkeit gegenüber den Mädchen – und natürlich die Religion. Marla ist Baptistin, sie hebt sich ihre Jungfräulichkeit für die Ehe auf. Frank dagegen ist als Methodist nach dem Geschlechtsverkehr mit seiner Highschool-Liebe praktisch schon verheiratet. So sieht das zumindest die prüde Marla.

Damit zieht „Regeln spielen keine Rolle“ zunächst alle Register einer Romantic Comedy im puritanischen Amerika, wobei der Film die blumigsten Beschreibungen findet für den Sex, den die verhinderten Turteltäubchen nicht haben dürfen – ohne dass das Wort je ausgesprochen wird. Brachialkomischer Höhepunkt der erotischen Verwicklungen: ein akuter Fall von vorzeitigem Samenerguss, während Hughes’ Aufpasser vor der Tür wartet.

Zeitgemäß trotz Retro-Ausstattung

Das sind jedoch nur schmückende Vignetten, die den Plot umranken, während alle verzweifelt auf den großen Auftritt von Hughes warten. Dessen Einführung ist so eigenwillig wie spektakulär: ein Hamburger-Dinner am Hafenpier vis-à-vis mit dem mächtigen Hercules-Prototypen. Beatty spielt Hughes in dem hintergründigen Wissen, dass das Ende der großen Ära alter, weißer Männer unmittelbar bevorsteht. Insofern ist „Regeln spielen keine Rolle“ trotz seines akribischen Retro-Ausstattungsirrsinns ein absolut zeitgemäßer Film, der nicht von ungefähr an jene Zeit andockt, die sich schon „Mad Men“ für eine Revision der Baby-Boomer-Generation vornahm. Beattys Hughes ist ein alter Narr, der unsinnige Befehle ins Telefon bellt und die Körper seiner Starlets juristisch taxiert. Ähnlichkeiten mit lebenden US-Präsidenten sind selbstverständlich rein zufällig.

Allerdings findet „Regeln spielen keine Rolle“, immer wenn Beatty die Szenerie beherrscht, keine Balance zwischen Tragik und Farce. Interessanter ist da schon die puritanische Sexualmoral, besonders im Vergleich mit „La La Land“, der ganz benebelt wirkte von seiner nostalgischen Romantik, ohne den Zynismus dieser Paarbildungsökonomie zu durchschauen. Beatty ist, auch wenn er seine Geschichte weniger stringent und auf mitunter willkürlich erscheinenden erzählerischen Umwegen verfolgt, ungleich klarsichtiger, was die Motive seiner Figuren angeht.

Denn Marla und Frank mögen naiv erscheinen, sie verfolgen aber zielstrebig ihre persönlichen Interessen: Sie will eine Hollywoodkarriere, er sucht die Nähe zu Hughes, um einen Grundstücksdeal im boomenden Los Angeles abzuschließen. Die Erniedrigungen, die er dabei erdulden muss, sind grotesk, doch Ehrenreichs Gesichtsausdruck verrät auch Franks Leidensfähigkeit. Zwar lässt „Regeln spielen keine Rolle“ die großspurige Ambition seiner Figuren vermissen, doch gerade diese Unschlüssigkeit macht den Reiz des Films aus. Ein Abgesang auf die Dominanz alter, weißer, reicher Männer in Form eines meisterlichen Alterswerks wäre doch zu viel des Guten gewesen. Beatty tritt lieber bescheiden ab.

Ab Donnerstag in den Kinos

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