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Die Beethoven-Statue auf dem Münsterplatz in Bonn.

© Oliver Berg/dpa

Concert Olympique in der Philharmonie: Mehr ergriffen als ergreifend

Jan Caeyers dirigiert Beethovens unbezwingbare "Missa solemnis" unter den Blicken von Alt-Bundespräsident Gauck und Bundestagspräsident Schäuble.

Dieser Abend wankt unter seinem eigenen Gewicht. Das Ende des Ersten Weltkriegs wird in der Philharmonie mit einem Konzert unter der Schirmherrschaft von König Philippe von Belgien und Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier begangen. Man gibt Beethovens große, unbezwingbare „Missa solemnis“. Was wäre eigentlich, wenn stattdessen etwas von der Französin Lili Boulanger erklänge, die im Jahr des Waffenstillstands verstarb? Wäre das weniger staatstragend? Zumindest hätte es wohl nicht zur selben Diskrepanz von Wollen und Wirken geführt. Gewollt war offenbar ein Gewahrwerden dessen, dass „im Vergleich zu den Werken des Allerhöchsten alles klein“ ist, wie Dirigent Jan Caeyers mit Blick auf Worte Beethovens im Programmheft schreibt.

Interessant, die „Missa“ als Verkleinerungsmaschine und Korrekturstiefel für den Menschen zu sehen, der Verderben über seinesgleichen bringt, zugleich aus dem Wissen um die Menschwerdung Christi Trost schöpft. Solche Konzepte passen nur mittelbar zu der Zumutung durch das Werk selbst. Die „Missa“ gilt als inkommensurabel; so schwierig zu singen, so langwierig zum Anhören, so sperrig in ihrer Faktur, dass Interpreten sich oft dafür entscheiden, sie wie in einem Kampf niederzuschlagen und mit ihr quasi die ganze Gattung der katholischen Messe. So hat es vordem John Eliot Gardiner getan – seine „Missa“ ist ein großes Hauen und Stechen gegen den lieben Gott selbst. Die andere Möglichkeit ist, diesem Werk schönzutun und sich trotz der Anforderungen so gut als möglich an es anzuschmiegen, in der Hoffnung, dass sich eine andere Wirkung einstelle, nichts Gewalttätiges, eher etwas diffus Großes, umfassend Klangvolles, immer noch Weitergesponnenes.

Sakralität im Konzertsaal

Das ist Caeyers Wahl, und sein Glück ist es, dass ihm mit Malin Hartelius, Dame Sarah Connolly, Steve Davislim und Hanno Müller-Brachmann fabelhafte Solisten zur Seite stehen, dass das Concert Olympique willig auf seine dirigentischen Vorgaben eingeht und der Arnold Schoenberg Chor (Einstudierung: Erwin Ortner) selbst nach 80 Minuten heftigen Zerrens an den Stimmbändern noch ausgeruht klingt. Apropos, ganze zehn Minuten länger als Gardiner braucht Caeyers für diese mehr ergriffene als ergreifende Darbietung. Natürlich kann man das alles so machen. Der verstorbene Enoch zu Guttenberg hat gezeigt, dass Sakralität im Konzertsaal funktioniert. Geht es aber hier gut? Unter den königlichen Augen von Philippe und Mathilde aus Belgien, unter den Blicken von Alt-Bundespräsident Gauck und Bundestagspräsident Schäuble schlafen, o weh, viele Zuhörende schlicht ein.

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