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Max Kaus’ Gemälde „Sigrid mit Anthurium“ von 1975, das seine Witwe Sigrid Kaus dem Brücke-Museum geschenkt hat. 

© Nick Ash/VG Bild-Kunst 2020

Max Kaus im Brücke-Museum: Das Geschenk der Freundschaft

Das Brücke-Museum eröffnet wieder mit einer Ausstellung des Berliner Malers Max Kaus. Sie wirft auch ein Licht auf die Unterstützer im Hintergrund der Künstlergruppe.

Die weißen Wangen, die grünen Schatten unter den Augen, das schwarze Haar – im Porträt seiner ersten Ehefrau Turu setzt Max Kaus jeden Pinselstrich vom anderen ab, als wollte er das Gesicht noch mit geschlossenen Augen ertasten können. Er malte das kleine Bild während des Studiums und muss es gut gehütet haben, denn es überstand zwei Weltkriege. 

Jetzt beweist das Porträt auch, wie groß der Entzug durch die Schließung der Museen war, denn keine digitale Technik kann dieses Original wiedergeben. Zwar entfällt die feierliche Eröffnung der Ausstellung „Max Kaus. Unter Freunden“, die zu Ehren seiner Witwe Sigrid Kaus geplant war. Sie hat dem Brücke-Museum zwanzig Gemälde geschenkt. Aber das Publikum darf kommen.

Max Kaus war rund zehn Jahre jünger als die Brücke-Künstler. Beinahe hätte er schon 1911 während seiner Ausbildung an der Kunstgewerbe- und Handwerker Schule Ernst-Ludwig Kirchner und Max Pechstein kennengelernt. 

Zweimal klingelte er an der Tür der privaten Malschule, in der die beiden „Modernen Unterricht in Malerei“ anboten. Aber er traf niemanden an. Deshalb entstand die Verbindung zur Brücke erst vier Jahre später, durch die Freundschaft zu Erich Heckel, den er im Ersten Weltkrieg auf dem Weg nach Flandern traf.

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Die Ausstellung zeigt die vielfältigen Beziehungen über die Brücke hinaus und sie stellt einige der Personen vor, die im Hintergrund die Künstler unterstützten. Zu allererst natürlich Sigrid Kaus, die Witwe des Malers, die in diesem September neunzig Jahre alt wird und auch nach dem Tod ihres Mannes sein Werk in ihren Privaträumen zeigte. 

Im Brücke-Museum fällt der erste Blick auf ein konzentriertes, mehrfach verschachteltes Paarbild von 1975: „Sigrid mit Anthurium“. Während seine Frau das Kinn auf die Hände gestützt am Tisch sitzt, ist Max Kaus nur im Spiegel über dem Sofa zu sehen. Sein Blick durch die schwere Brille verbindet die beiden. 

Dem Paar gegenüber hängt das imposante Porträt von Leopold Reidemeister, dem Gründer des Brücke-Museums. Schon zum Anfangsbestand des Hauses gehörten neben den künstlerischen Nachlässen von Karl Schmidt-Rottluff und Erich Heckel auch Werke von Max Kaus.

Kaus und Heckel überstanden den Ersten Weltkrieg in dem ungewöhnlichen Sanitätszug, in dem der Kunsthistoriker Walter Kaesbach in Ostende junge Künstler unter seinen Schutz stellte. Kaus nennt diese Gruppe später Freunde fürs Leben. In Ostende brachte ihm Erich Heckel Lithografie und Holzschnitt bei.

Fasziniert von den Farben Vermeers 

Als Material diente den beiden die Wandtäfelung von feinstem Mahagoni aus dem zerschossenen Bahnhof. Ein Lithograf versorgte sie mit kleinen Steinen. Von Ostende aus besuchten die Künstler Museen in Brüssel, Gent und Brügge.

Max Kaus war fasziniert von den Farben Vermeers. Im zweiten Raum der Ausstellung schwingt die Freude über diese beschauliche Welt mit, die vor dem Hintergrund des Krieges doppelt intensiv nachgewirkt haben muss. Im „Stillleben mit Straussenei“ von 1922 spiegelt das blankpolierte Ei das Licht wie die Perlen bei Vermeer. 

Ein Stuhl ist in holländischem Blau bezogen. Das Holz in dem rötlichen Ton von Vermeers Hintergründen lädt in den Raum ein. Aber Max Kaus verkantet das Inventar in der Kompliziertheit seiner Zeit. Da wird die Nähe zur Brücke augenfällig.

In der sehr liebevoll präsentierten Schau arbeitet die Kuratorin Isabel Fischer auch die Unterschiede heraus. Anders als die Brücke-Künstler malte Kaus zum Beispiel nicht in der freien Natur. Seine Badenden wirken geplant. „Gebaut" ist ein Begriff, den er immer wieder für seine Bilder verwendet. Umso erstaunlicher, was in der Graphik passiert. Im Ersten Weltkrieg lernte Kaus zu improvisieren. 

Bombenangriff auf sein Atelier

Auch später arbeitet er direkt auf dem Stein, lässt die Tusche verfließen, folgt dem Verhalten des Materials. Das Ergebnis sind wunderbar weiche, körperliche Formen. Das Gesicht einer Schlafenden scheint sich atmend auszudehnen, seine Badenden setzen sich feingliedrig in Bewegung.

Während des Nationalsozialismus war Max Kaus zwar bei einigen Ausstellungen vertreten, auch 1935 bei der Biennale von Venedig. Zugleich aber wurden Werke von ihm aus der Berliner Nationalgalerie beschlagnahmt.

1943 zerstörte eine Bombe sein Atelier in der Mommsenstraße, dabei verbrannten rund zweihundert Gemälde. Seine Frau Turu starb ein Jahr später. Auch sein Haus auf der Pfaueninsel wurde im Krieg getroffen, ein großer Teil seiner Grafiken vernichtet.

Das malerische Werk von Max Kaus nach dem Zweiten Weltkrieg wirkt wie der Versuch, die Scherben der Welt wieder zusammenzufügen. Schon unmittelbar nach dem Krieg lehrte er an der Berliner Hochschule für bildende Künste und wurde dort später stellvertretender Direktor neben Karl Hofer. Beide Künstler hatten einen Großteil ihres Werkes im Krieg verloren. In den Bildern von Max Kaus lösen sich die Umrisse auf. 

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Zwar könnte dieser Prozess zur Abstraktion führen. Aber Max Kaus geht den umgekehrten Weg. Der leidenschaftliche Segler wird im Katalog zitiert mit den Satz: „Ich wünsche mir in meinen Arbeiten ein Oben und Unten.“ Nach einem Rom-Aufenthalt entsteht ein Schlüsselbild. Kaus malt die Ruinen der Villa Adriana auf ein Stück geflicktes Segeltuch und betont die Nähte mit schwarzer Farbe.

Im Spätwerk zerbrechen die Flächen und werden sichtbar schwarz gekittet. Die Fugen erinnern an die Fassungen in einem Bleiglasfenster. Ein zweites Paarbild von 1968 zeigt wieder den Künstler und seine Frau Sigrid, diesmal ist sie im Spiegel zu sehen. 

Die Farben verbinden die beiden über die Brüche der Konturen hinweg. Heute wirken diese Bilder stark an die Ästhetik der Zeit gebunden. In der Erzählung der Ausstellung aber, die von Unterstützung und Freundschaft handelt, erscheint die Geste des Zusammenfügens folgerichtig.
[Brücke-Museum, bis 30. 8.2020. Zunächst nur freitags und samstags von 11 bis 17 Uhr. Zeitfenster-Reservierung unter: www.museumsdienst.berlin oder Tel. 030 / 247 49 888. Es gelten Abstands- und Hygieneregeln sowie die Bitte um Mundschutz.]

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