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Polizisten an der südlichen Landesgrenze von Berlin auf der Jagd nach der vermeintlichen Löwin.

© dpa/Fabian Sommer

Erstes Sommerfazit: Der Juli brachte eine Lektion in Löwismus 

Die Löwenjagd von Berlin führte vor Augen, welche Kraft kollektive Fantasien und Gerüchte haben. 

Eine Kolumne von Caroline Fetscher

Aufgeregt fahndeten Abertausende nach der entlaufenen Löwin. Polizisten, Bürger, Tierärzte und Spürhunde waren unterwegs, ein Riesenhallo, samt Helikopter und gepanzerten Fahrzeugen.

Am Ende der Großfahndung verwandelte sich die Löwin bekanntlich in eine Wildsau. Die halbe Welt wurde darüber unterrichttet.

Das Wunderbare aber an dieser Berlin-Brandenburgischen Sommerepisode, die bis in die Nachrichten anderer Kontinente vordrang, war das lebendige Forschungsmaterial zum Thema Kollektive und Fantasien.

Den Löwenanteil an der Löwenjagd hatte das menschliche Vorstellungsvermögen, und zwar nicht nur eines Individuums sondern vieler, vieler Leute, die sich gegenseitig mit ihren Fantasien, Ängsten und Wünschen inspirierten.

Live war zu beobachten, wie Millionen Menschen, elektrisiert von der Idee des wilden Tiers im Stadtwald, zu Regisseuren je eigener Filme plus kollektiver Filme wurden. In all den Köpfen entstanden Abenteuerfilme, Jagdfilme, Kolonialfilme, Filme über Freiheitslust, Flucht und Fressverhalten, über Wildnis und Triebe und die Potenz der Natur.

Auf der Grundlage völlig irriger Informationen, fake news, false facts, konstruierten Millionen, Szenarien, als würden sie gemeinsam wachträumen, angeregt auch vom medialen Sommerorchester mit Pauken und Trompeten:  Ein drastischer Fall von Löwismus.

Der Vorgang war so relevant und hochgradig spannend, weil just nach solchen Mustern auch andere Phänomene der öffentlichen Erregung entstehen.

So kommt es zu Gerüchten über Personen und Gruppen, etwa zu der tausendfach transportierten Idee vom Minister, der in Heizungskellern umherkriecht und gut funktionierende Wärmegeräte abschleppen lässt.

Auch wenn so etwas nie geplant war, die Szenarien sind in die Fantasie von Millionen eingesickert. In exzessiven Fällen des Löwismus braucht es folglich große öffentliche Anstrengung, die Flut der Fake News einzudämmen - siehe AfD..

Aktuell bietet Donald Trump das beste Beispiel für Löwismus, also für das erfolgreiche Säen von Falschbehauptungen. Laut einer neuen Studie glauben ihm fast 70 Prozent der Republikaner in den Vereinigten Staaten, dass er um einen Wahlerfolg gebracht wurde, den es gar nicht gab, und dass er zu Unrecht vor Gericht kommt.

Daran wirken Massenmedien wie FOX News mit, sie haben haben die nötige Skrupellosigkeit und Expertise im Faktenschreddern und üben gezielt Kontextsabotage. Dagegen kommt nur noch das Recht an, der Rechtsstaat auf den Amerikas Demokratie jetzt hoffen muss.

In weniger gravierenden Fällen des Löwismus - siehe Heizungsdebatte - helfen am besten die Fabeltiere einer anderen Gattung: Die Erklärbären. Es kann nicht genug von ihnen geben.

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