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Reisejournalistin Yoko (Atsuko Maeda).

© Trigon Film

Im Kino: "To The Ends of the Earth": Lost in Usbekistan

Im japanischen Spielfilm "To The Ends of the Earth" reist ein Fernsehteam nach Zentralasien. Sie suchen einen mysteriösen Fisch - und finden sich selbst.

2005 erzählte die britische Miniserie „To The Ends of the Earth“ von der Initiationsreise eines jungen Adligen im Australien des 19. Jahrhunderts. Kiyoshi Kurosawas gleichnamiger Film, der bereits 2019 auf dem Filmfestival von Locarno lief, erzählt von einer ähnlichen Bildungsfahrt, allerdings unter völlig anderen kulturellen Vorzeichen.

Die junge Fernsehmoderatorin Yoko (Atsuko Maeda) reist für eine japanische Reisesendung nach Usbekistan, um über die vermeintlichen Eigenheiten in dem zentralasiatischen Land zu berichten. Vier Männer, darunter ein einheimischer Übersetzer, begleiten sie an die verschiedenen Drehorte, wobei die Sehenswürdigkeiten ironischerweise immer nur beiläufig am Rande ins Bild kommen.

Enthusiasmus in Gummihose

Am Aydarsee plaudert Yoko in Gummihose enthusiastisch von dessen ungeplanter Entstehung und einem mysteriösen Fisch namens Bramul. Als bei den Versuchen des Filmteams, mit Hilfe lokaler Fischer ein Exemplar zu fangen, nur Müll im Netz landet, schreiben die Einheimischen dies der Reporterin zu. „Fische finden den Duft einer Frau abstoßend“, sagt einer. Eine weitere, vermutlich unflätigere Bemerkung wird auf seinen Wunsch nicht für Yoko übersetzt – und taucht deshalb auch in den Untertiteln nicht auf.

Auch andere Drehideen liefern nicht die erhofften Bilder. Eine Szene in einem heimtückisch rotierenden Karussell muss zweimal wiederholt werden; die Darstellerin kotzt, spielt aber weiter. Als Yoko in einem Teehaus zur Verkostung des Nationalgerichts Plov wegen Brennholzmangel harter Reis vorgesetzt wird, ist sie Profi genug, mit blumigen Worten das „köstliche Gericht“ zu preisen.

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Yoko, mit trippelnden Schritten und huschiger Gestik, wirkt anfangs wie eine Karikatur japanischer Manga-Niedlichkeit (Maeda hat selbst als Teenie-Popstar angefangen), sodass das Personal des Lunaparks sie wegen vermeintlicher Minderjährigkeit sogar am Karussellfahren hindern will. Doch das Drehbuch des für seine Horrorfilme international bekannt gewordenen Kurosawa lässt Yoko zunehmend eigene Wege abseits der beruflichen Enge gehen.

Das beginnt mit einem wie dokumentarisch gedrehten Besuch eines Basars in Samarkand, wo Yokos Kostümierung mit kurzem Flatterröckchen nicht nur Männer starren lässt. Ein zweiter Basar-Besuch bringt ihr einen Aufenthalt in einer imposanten Polizeistation ein – und dem Film eine Verfolgungsjagd á la James Bond durch Gewürz- und Gemüsestände. Im Taschkenter Navoi-Theater triggert die Puccini-Arie einer Sängerin Yokos latente Sehnsucht, sich auch selbst auf diese Weise auszudrücken. Kurosawa inszeniert diese Szenen geschickt an der Grenze von Realität, Trance und Traum und findet eine ganz eigene Tonlage zwischen Mediensatire, Coming-of-Age-Geschichte und Melodram.

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Vor allem aber ist „To the End of the Earth“, dessen Produktion für ein zwischenstaatliches politisches Jubiläum initiiert wurde, ein vielschichtiger Film über kulturelle Grenzen: Am Witzigsten, wenn auf Yokos naiven Vorschlag nach Verhandlung mit den bäuerlichen Eigentümern ein Ziegenbock vor der Kamera aus seinem Stall befreit werden soll. Am Explizitesten in einer längeren Ausführung des Übersetzers, wie die Ausstattung des Navoi-Opernhauses von japanischen Kriegsgefangenen geschaffen wurde.

Fast überdeutlich lässt sich dieser behutsame Umgang mit Differenzen – und die bedeutsame Rolle des Übersetzens – auch als Antwort auf Sofia Coppolas wegen seiner kulturellen Stereotype vielfach kritisierten Film „Lost in Translation“ lesen. Schön auch, dass der Titel hier am Ende ganz wörtlich genommen wird und Yoko in einer paradiesischen Landschaft zu sich selbst finden darf. „Ich glaube, ich habe vielleicht doch Glück“, sagt sie. Zum unserem Glück wird das Pathos der dazu von ihr gesungenen japanischen Version von Edith Piafs „Hymne á l’amour“ von einem hübschen visuellen Witz gebrochen.

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