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Lorenzo Viotti wurde 1996 in Lausanne geboren.

© Foto: Marcia Lessa

Lorenzo Viotti und die Staatskapelle: Einspringer für Barenboim

Mit Eleganz und Brillanz: Der Dirigent Lorenzo Viotti und der Pianist Alexandre Kantorow trumpfen bei der Berliner Staatskapelle auf

Der Zauber technischer Brillanz verfehlt kein Konzertpublikum. Als der 19-jährige Sergej Rachmaninow mit dem Vivace seines ersten Klavierkonzerts am Moskauer Konservatorium Examen machte, erhielt er die Bestnote für Komposition. In Erinnerung aber behielt ein Mitstudent den Eindruck, „wie er sich mit reißenden Fortissimo-Oktaven auf die Tastatur des Flügels stürzte“.

Der 25-jährige französische Pianist Alexandre Kantorow, der das selten aufgeführte Stück nun als Solist der Berliner Staatskapelle spielt, imponiert mit seiner Lust an grenzenloser Virtuosität. Die pompöse Geste der Musik, ihre weltläufige Eloquenz genießt er mit akkurater Geläufigkeit. Das weckt Bewunderung.

Der Pianist wird mit Ovationen gefeiert

Das Stück selbst jedoch, konservativ geprägt, ergeht sich in Redseligkeit. Wenn die Musik vom wilden Tastenrausch ins Besinnliche gleitet und zu naivem Singen kommt, lässt sie jedes Streben nach thematischer Originalität vermissen. Der Zauberer am Klavier aber wird mit Ovationen gefeiert.

Die Staatsoper Unter den Linden ist vollbesetzt bis zum oberen Rang. Für den erkrankten Daniel Barenboim tritt Lorenzo Viotti ans Pult. Der junge Schweizer Dirigent, seit 2021 Chef des Netherlands Philharmonic Orchestra und der Nationaloper Amsterdam, blickt schon auf viele Gastspiele bei den führenden Klangkörpern der Welt, natürlich auch bei den Berliner Philharmonikern, zurück.

Er hat sich die zehnte Sinfonie von Dmitri Schostakowitsch ausgewählt. Als Kapellmeister setzt er auf Präzision und Eleganz. Dabei dirigiert er heftiger, als es die Mitglieder eines Spitzenorchesters zur Verständigung brauchen. Er meint, aus seiner klaren Vorstellung von der Partitur jeden Einsatz deutlich geben zu müssen. Sein Taktschlag macht optischen Effekt und läuft Gefahr, die Interpretation selbst zu dominieren. 

Die Staatskapelle – was für ein Instrument! Vom Unisono der Celli und Kontrabässe an bezaubert der Streicherklang, Klarinette, erstes Horn, Oboe und Fagott singen märchenhaft. Lorenzo Viotti sorgt für eine wirkungsvolle Wiedergabe des nach Stalins Tod komponierten Werkes. Sie bleibt jedoch im Ganzen vordergründig, ohne eine Ahnung dessen, was an Leid, Schmerz, Brutalität und Selbstbehauptung hinter den Noten steckt. Es ist ein Sieg instrumentaler Ausdruckswerte, der mit entsprechendem Applaus honoriert wird.  

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