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Alphamädchen 4:3

© Stephanie Füssenich

Alphamädchen: Wir wollen mehr

Macht Feminismus das Leben wirklich schöner? Über den Boom neuer Frauenbücher zwischen künstlich aufgeblasener Schimäre und cooler Emanzipation.

Da gab es einen Eva-Herman-Eklat rund um germanische Urmutterideale, da gab es steinzeitliche Äußerungen von Christa Müller und Bischof Mixa. Heike Makatsch wiederum, gewesenes Girlie-Role-Model für die Frauen der Jahrgänge 1970 bis 1980, spielt in „Schwesterherz“ eine fies ultrakonservative Rolle, und ihre ehemaligen Adeptinnen schweigen. Und da beklagen Politiker, dass Akademikerinnen aus purem Egoismus nicht genug Kinder bekommen. Die Angesprochenen aber, Frauen zwischen 25 und 35, basteln ruhig weiter an ihren Selbständigenkarrieren, gehen ins Kino und zucken die Schultern.

So unerklärlich stumm die jüngeren Frauen bezüglich ihres Frauseins oft blieben und so viele Debatten um Beruf und Familie, um Kinderbetreuung, Karriereknick, Reproduktionsverweigerung und Methusalem-Komplex sie von sehr viel Älteren führen ließen, so überraschend kommt sie jetzt doch: diese kleine Flut von schmissig aufgemachten Büchern, die wieder den Feminismus im Banner trägt. Diese Bücher, meist in großen Publikumsverlagen erschienen, heißen „Neue deutsche Mädchen“, „Wir Alpha Mädchen – Warum Feminismus das Leben schöner macht“ oder „Hot Topic – Popfeminismus heute". Auch den Roman „Feuchtgebiete“ der Ex-Viva-Moderatorin Charlotte Roche kann man dieser merkwürdig plötzlich und zeitgleich einsetzenden Hausse neuer Mädchenbücher zuschlagen.

Eine künstlich Richtung Provonummer aufgeblasene Schimäre

Die Bücher – mal knallpink im Aufschlag, mal designt vom Berliner Graphik-Impresario Paul Snowden, mal mit fast punkig anmutenden Buchstabencollagen in rosa und lindgrün geschmückt – sind da und auch gleich überall in den Medien. Roches Roman, der ohne Heititeiti von der Freude an Sexsachen, Körperflüssigkeiten und Intimrasuren berichtet, steht gar seit Wochen auf Platz 1 der Bestsellerlisten, war mehrere Tage bei Amazon das weltweit (!) meistverkaufte Buch und ist inzwischen 420000 mal ausgeliefert worden. Es liegt also definitiv etwas in der Luft. Aber ist es wirklich die Wiederauferstehung des Feminismus, betrieben von jungen Frauen um die 30, gut ausgebildet und in journalistischen Berufen erfolgreich, meist heterosexuell und in wichtigen Phasen ihres Lebens schon mal in Kontakt gekommen mit Rrriot Girlism, der Band Le Tigre, der affirmativen Neuauflage der Pornodebatte im Kunstfeld und in poststrukturalistisch angehauchten Performance- und Diskurszirkeln? Oder ist das Ganze doch nur eine künstlich Richtung Provonummer aufgeblasene Schimäre? Ein aufgepopptes, jüngeres, mit frischen Kaufanreizen versehenes Angebot für eine Klientel, die sich ansonsten den sexistischen Knickknack-Sie-wissen-schon-Schwachsinn à la „Warum Männer nicht zuhören und Frauen schlecht einparken“ zu Gemüte führt?

Ja und nein. Einerseits gibt es sie wirklich, die Frauen, die sich wieder ernsthaft Gedanken darüber machen, wie weit sie gekommen sind mit der Emanzipation. Beziehungsweise wie weit sie auf diesem Weg zur Zeit wieder zurückgespült werden in eine Fünfziger-Jahre-Welt – oder auch freiwillig dorthin zurückgehen. Und die zu diesem vor allem analytischen Zweck den Begriff „Feminismus“ als ein vielleicht ein wenig zu schärfendes, dann aber immer noch funktionales Werkzeug wiederentdecken, dem Wort wieder politische und kollektivierende Kraft einzuhauchen versuchen und ihn seiner selbsternannten Alleinvertreterin auf Erden Alice Schwarzer aus den schon recht runzeligen Händen winden. Gut so.

Andererseits gibt es die Verlage, die sich unangemessen verniedlichende Mädchen-Titel ausdenken und ein Geschäft wittern. Was zu Ärgerlichkeiten führt, die durch ein überlegteres Arbeiten an Idee und Text dieser Bücher unter Anleitung eines verantwortungsvolleren Lektorats hätten vermieden werden können. Man hätte sich in diesem Moment, da der Buchmarkt auf das Reizwort „Feminismus“ seit langem mal wieder so positiv anspringt, mehr Produktqualität gewünscht.

"Von einem nervösen Mädchen zu einer vernünftigen jungen Frau“

Jana Hensel und Elisabeth Raether etwa schreiben sicher nicht über „Neue deutsche Mädchen“ (Rowohlt, Reinbek 2008, 206 S., 16,90 Euro), sondern nur über sich. Ihre Geschichtchen über Herkunft, Beziehungen, Affären, Arbeit, Wohnungsmöblierung und darüber, wie man „von einem nervösen Mädchen zu einer vernünftigen jungen Frau“ wird, haben etwas Hingeschlonztes, viel zu wenig Analytisches, grundlos als „Wir sprechen für alle“–Verhobenes. Einzig Jana Hensels Überlegungen zum freiwilligen Rückzug von Frauen aus der frustrierenden Arbeitswelt dürfen überindividuelle Relevanz beanspruchen. Aber wenn sich Elisabeth Raether über Alain und Joachim, David und Christian, das Super-Berlin-Gefühl Mitte der neunziger Jahre und ihre Flugangst auslässt, ist das Durchlesen dieser Langweiligkeiten gleichzusetzen mit vergeudeter Lebenszeit.

Charlotte Roche wiederum verrät ihr hemmungsloses neues Schreiben über Körperdinge an ein unglaublich doofes Romanende. Dieses nämlich erklärt die Freimütig- und Freizügigkeit der Protagonistin nicht über eine explizit neu formatierte weibliche Identität, die mit geziertem Ekel und züchtigem Schweigen einfach mal gar nichts mehr am Hut hat, sondern über ein Trauma durch runtergerockte familiäre Verhältnisse. Der ganze Ekelaufstand, den Roche sprachlich mal rechter, mal schlechter, aber immer toll unpeinlich um Muschisäfte und Schamhaar-Krustenpollen veranstaltet, ist nur dazu da, die seelische Verletzung der Erzählerin durch die missglückte Ehe ihrer Eltern zu illustrieren. Puh. Eine im großen Stil vergebene Chance in Sachen weiblicher Entschämung.

Feminismus ist cool und schlau und sexy

Sachlicher und im vollen Bewusstsein ihres Auftrags dagegen sind „Wir Alphamädchen“. (Hoffmann und Campe, Hamburg 2008, 253 S., 19,95 Euro). Die drei Autorinnen, die Münchner Journalistinnen Meredith Haaf, Susanne Klingner und Barbara Streidl, gehen die klassischen Punkte feministischer Kritikansätze durch, um festzustellen: Überall ist es schlechter um die Gleichberechtigung bestellt als angenommen. Schönheitsdiktate, Abtreibungsgesetzgebung, Einkommensasymmetrieen, Steuerungerechtigkeiten – überall gilt es, Ungleichheit und Diskriminierung zu konstatieren. Das ist richtig so und auch differenziert und gut recherchiert. Allerdings ist das Buch derart im Einführungs-Stil gehalten, dass man es wohl am besten 14-jährigen Töchtern von älteren Bekannten als Augenöffnungslektüre zum Geburtstag schenken sollte. Die freuen sich womöglich auch noch über dieses dauernde Wir-Sagen: Wir wollen mehr, wir haben Spaß und „Knaller-Sex“, wir wissen, dass Feminismus cool und schlau und sexy ist und das Leben für alle schöner macht.

Dieser appellative Duktus des Buches, der so unbedingt eine neue „Task Force Feminismus“ zusammenschweißen möchte, ist oft unangenehm – und bleibt für „uns junge Frauen“, die wir eher an differenzkulturellen Individualismus denn an gemeinsames Kämpfen gewöhnt sind, eine allzu abrupt von uns verlangte und ergo wahrscheinlich folgenlose Überforderung. Bleibt die Hoffnung, dass wenigstens Charlotte Roches Protagonistin, die „Ich“ sagt und nicht „Wir“, ein paar knackige Nachahmerinnen findet: Frauen, die der Tamponindustrie mit Selbstgebasteltem ein Schnippchen schlagen, die sich trotz Hämorrhoiden in sextechnischer Entspanntheit üben und die den Männern, die sich rasierte Frauen wünschen, den Rasierer in die Hand drücken.

Kirsten Riesselmann

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