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Ludwig Landmann in den 1920er Jahren

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Ludwig Landmann, OB Frankfurt/M.: Die Flagge der Weimarer Republik

Biografie eines Demokraten

Der 100. Jahrestag der Gründung der Weimarer Republik hat mehrere Städte veranlasst, ihren Werdegang in der Zeit von 1919 bis 1933 darzustellen, vorrangig in Stadtplanung, Architektur und Kunst. So auch Frankfurt, dessen Museum Angewandte Kunst jene Jahre unter dem Titel „Moderne am Main“ beleuchtete. Über den Frankfurter Oberbürgermeister von 1924 bis zur Vertreibung durch die Nazis im März 1933, Ludwig Landmann, heißt es im begleitenden Katalog wenig schmeichelhaft: „So schnell Landmanns Stern stieg, so schnell sank er aber auch wieder.“ Gemünzt ist dies auf die Misstrauensanträge, denen sich Landmann in der Endphase der Weimarer Republik mehrfach gegenübersah.

Das greift nun entschieden zu kurz. Ohne Landmann hätte es beispielsweise die Wohnsiedlungen, derer sich die Stadt heute mehr denn je rühmt, nicht gegeben, und zudem waren diese Vorhaben eingebettet in ein umfassendes stadtpolitisches Konzept. Wilhelm von Sternburg, der frühere Chefredakteur des Hessischen Rundfunks, lässt Landmann jetzt in einer Biografie Gerechtigkeit als dem – neben dem Kölner Konrad Adenauer – herausragenden Kommunalpolitiker der Weimarer Republik widerfahren.

Ein schwieriger Charakter

Dass der schwierige Charakter Landmanns, der auch seitens enger Mitarbeiter keinerlei persönliche Nähe zuließ, einer angemessenen Würdigung stets entgegenstand, wird schon auf den ersten Seiten dieses mit erkennbarer Sympathie geschriebenen Lebenslaufs deutlich. Wichtiger ist anderes. „Wo immer es ihm möglich ist“, schreibt Sternburg über die späten zwanziger Jahre, „hält der Oberbürgermeister bei Gedenktagen, bei Massenkundgebungen, demokratischen Vereinigungen oder bei Treffen republikanischer Verbände die Flagge der Weimarer Verfassung hoch.“ So beim Bundestreffen des Reichsbanners Schwarz-Rot-Gold, einer der Stützen der Republik, im Jahr 1928, bei dem Landmann beschwörend ausruft: „Noch weht in unseren Mauern der Geist der Paulskirche, wo die Besten unseres Volkes (...) für ein freies, einheitliches Deutschland gestritten.“

Das Pathos der Demokratie

Der „Geist der Paulskirche“: Solches Pathos ist uns heute fremd geworden; warum eigentlich? Landmann, als Jude 1868 in Mannheim geboren, dort schon in jungen Jahren zum Stadtsyndikus aufgestiegen, seit 1917 Stadtrat in Frankfurt, dann ab 1924 Oberbürgermeister, Mitglied der (liberalen) Deutschen Demokratischen Partei, aber stets mit Unterstützung der SPD regierend (am Ende gegen die vereinten Stimmen von KPD und NSDAP), wusste, dass diese so bedrohte Republik auch Pathos brauchte, um Würde zu gewinnen und zu wahren.

So unendlich viel gab es zu tun, und gegen so viel Widerstand, wie Sternburg an den haushaltsrelevanten Maßnahmen des OB, etwa zur Wiederbelebung der Frankfurter Messe, zeigt. Und eben beim Bau der Wohnsiedlungen für eine wachsende, ihre Zukunft durch Eingemeindung sichernde Stadt. Landmann und Stadtkämmerer Bruno Asch, auch er Jude, ermöglichen mit Krediten den Bau durch Stadtbaurat Ernst May, dessen Fortgang nach Moskau im Jahr 1930 Landmann wohl getroffen hat.

Förderer der Künste

Landmann war ein großer Förderer der Künste, dafür stehen Namen wie der von Fritz Wichert, den er als Leiter der Städelschule nach Frankfurt holte und der wiederum Künstler wie Max Beckmann und Willi Baumeister gewann. Nebenbei: Dass Landmann in seiner Mannheimer Zeit beim Nationaltheater als Interimsintendant einsprang, dürfte in der deutschen Kommunalgeschichte einmalig sein. Landmann musste 1933 aus Frankfurt fliehen, zu stark war er bedroht. Er ging nach Berlin und emigrierte 1939 nach Holland, wo er, längst gesundheitlich angegriffen, kurz vor Kriegsende verstarb.

Sternburgs Biografie ist nicht die erste zu Landmann, und er ist fair genug, diejenige von Dieter Rebentisch aus dem Jahr 1975 zu würdigen und zu zitieren. Aber eine erneute Erinnerung tut not, und dass sie in einem großen Publikumsverlag erscheint, hilft, den Blick einer breiteren Öffentlichkeit zu lenken auf die denn doch zahlreichen Demokraten, die die Weimarer Republik hatte und die für sie eintraten. Landmanns Stern strahlt unter ihnen besonders hell.

Wilhelm von Sternburg: Ludwig Landmann. Ein Porträt. S. Fischer Verlag, Frankfurt/M. 2019. 222 S., Abb., 15 €.

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