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Herta Müller: Der Deutsche Buchpreis in der Zwickmühle

Der Literaturnobelpreis für Herta Müller hat die Jury des Deutschen Buchpreises in eine schöne Zwickmühle gebracht. Denn alle fragen sich nun: Der beste Roman des Jahres, der kann doch auch nur von der Literaturnobelpreisträgerin kommen, oder?

Man muss sich das einmal bildlich vorstellen: Da sitzen also heute Abend im Frankfurter Römer in der ersten Reihe des Kaisersaals die sechs Autoren und Autorinnen, die für den mit 25.000 Euro dotierten Deutschen Buchpreis nominiert sind – unter ihnen die frisch gekürte Literaturnobelpreisträgerin Herta Müller. Und Börsenvereinsvorsteher Gottfried Honnefelder verkündet kurz vor 19 Uhr: „Den Deutschen Buchpreis 2009 erhält Stephan Thome für seinen Roman ,Grenzgang‘“. Oder: „Der Deutsche Buchpreis 2009 geht an Rainer Merkel für seinen Roman ,Lichtjahre entfernt‘“.

Möglich ist das, schließlich stehen auf der Shortlist sechs Romane, darunter noch Clemens J. Setz’ „Die Frequenzen“, Kathrin Schmidts „Du stirbst nicht“ und Norbert Scheuers „Überm Rauschen“. Nur dürfte sich ein sehr großer Teil des lesenden und seit dem Nobelpreis an Müller auch des nichtlesenden Publikums dann schon Fragen wie diese stellen: Wie kann es eigentlich sein, dass Herta Müller den Literaturnobelpreis bekommt, aber ihr neuer Roman „Atemschaukel“ schlechter sein soll als eben „Grenzgang“ oder „Lichtjahre entfernt“? Stephan wer? Rainer wer? Der beste Roman des Jahres, der kann doch auch nur von der Literaturnobelpreisträgerin kommen, oder?

Der Blitzlichteffekt jedoch bliebe aus, den gab es schon

Die Schwedische Akademie in Stockholm hat mit ihrer Entscheidung für Herta Müller die Jury des Deutschen Buchpreises in eine schöne Zwickmühle gebracht. An einem Literaturnobelpreis kommt sie nicht vorbei, schon gar nicht, wenn er erst vier Tage vorher verliehen wurde. In den vergangenen Jahren hatte man beim Deutschen Buchpreis zumeist nobel über Georg-Büchner-Preisträger oder Großschriftsteller hinweggesehen oder sie gerade mal für die Longlist nominiert, weil ihre unbestreitbare literarische Größe mit der noch nicht so erwiesenen Größe des Deutschen Buchpreises schwer in Einklang zu bringen war. Nicht zuletzt soll der Deutsche Buchpreis ja selber Schriftsteller und Bücher größer und erfolgreicher machen, und als Bestsellermaschine ist er spätestens seit Julia Franck und Uwe Tellkamp etabliert.

Verleiht die Jury Herta Müller nun auch den Deutschen Buchpreis, ist das nur selbstverständlich – der Blitzlichteffekt jedoch bliebe aus, den gab es schon. Und Bestsellerautorin ist sie ja auch bereits. Verleiht die Jury ihn an jemand anderen, an Thome, Merkel oder Schmidt, wird sich alle Welt wundern, selbst wenn die Begründung noch so einleuchtend klingt – und darin dürfte zudem ein Schlenker zum Literaturnobelpreis nicht fehlen, was auch ein Novum wäre.

Herta Müller dagegen mag das alles herzlich egal sein. Sicher würde sie sich auch über den Deutschen Buchpreis sehr freuen – und wenn sie ihn nicht bekommt, würde sie das ohne Ärger akzeptieren, Nobelpreis hin oder her. Dünkel kennt sie nicht. Zudem hat sie in den letzten Tagen oft genug betont, wie wenig literarische Preise mit ihrem Schreiben zu tun haben.

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