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Wunderbar eigenwillig. Die Choreografin Ligia Lewis.

© Studio Julien Barbe S/HAU

Ligia Lewis im HAU: Aus dem Grab ragt ein Ärmchen

Schaurig schön: Ligia Lewis hat sich für ihre Performance „Water Will (in Melody)“ im HAU drei tolle Mitstreiterinnen gesucht.

Von Sandra Luzina

Die Märchensaison ist bereits voll im Gange. Überraschend aber ist es, dass selbst im HAU2 die Formel „Es war einmal ...“ zu hören ist. Ligia Lewis, derzeit eine der aufregendsten Choreografinnen der Berliner Tanzszene, lässt in ihrer Performance „Water Will (in Melody)“ das Märchen „Das eigensinnige Kind“ gleich zwei Mal nacherzählen – auf Deutsch und Englisch. Es ist das kürzeste und eines der schaurigsten Märchen der Brüder Grimm – und findet sich heute in keiner Geschichtensammlung für Kinder mehr. Lewis sorgt dann auch für keinen kuscheligen, seelenerwärmenden Abend, sondern inszeniert einen düsteren Theaterspuk.

Sie selbst ist ja eine ungemein ausdrucksstarke Performerin. Für das vom HAU produzierte Stück „Water Will (in Melody)“ hat sie sich mit Titilayo Adebayo, Dani Brown und Susanne Sachsse tolle Mitstreiterinnen gesucht. Die vier Frauen greifen auf unterschiedliche Weise das gruselige Motiv des aus dem Grab ragenden Ärmchens auf. Da wird ein Arm abgespreizt oder abgewinkelt, als ob er nicht zum Körper gehören würde. Er zieht in eine Richtung – und wirkt dann wie ein abgestorbener Ast. Dani Brown zeigt anfangs einen Grotesktanz mit steifen Gliedern und mutet dabei schon mal wie Struwwelpeter an.

Ligia Lewis ist der Schrecken in den Körper gefahren – sie windet und krümmt sich, duckt sich weg. Blitzschnell wechselt sie ihre Mimik, die weiß behandschuhte Hand verkrampft sich und wird zur Kralle. Susanne Sachsse in schwarzem Lackmini performt eine ziemlich dekadente Märchenschwester. Titilayo Adebayo in weitem weißen Kleid und schwarzem Bowler-Hütchen ist mal garstiger Clown, mal Showgirl. Während sie sich in einen Aufruhr steigert und in schneller Folge widersprüchliche Signale und Gesten abfeuert, verbünden die drei anderen Frauen sich, bilden eine Kette und erinnern dabei an eine Skulptur von Schutz suchenden Nymphen.

Eintauchen in eine andere Sphäre

Am Ende des ersten Teils erstarrt Ligia Lewis mitten in einer Sturzbewegung, und Adebayo liegt mit verzerrtem Körper auf dem Boden. Lewis tritt nun nahe ans Publikum und stimmt das Lob der Dunkelheit an – leider ist dieser Monolog kaum zu verstehen. Der zweite Teil löst das Endzeit-Szenario auf. Lewis deutet mit ihren Armen eine Wellenbewegung an. Ein feiner Sprühnebel benetzt die Körper. Die Tänzerinnen scheinen beim Kontakt mit dem Wasser in eine andere Sphäre einzutauchen. Auf dem Hintern schlittern sie danach über den nassen Boden oder sie legen sich übereinander, was etwas schön Verspieltes hat.

Worum genau es bei dieser Groteske geht, bleibt im Dunkeln. Dass „Water „Water Will (in Melody)“ die Zuschauer dennoch in den Bann schlägt, liegt an den wunderbar eigenwilligen Performerinnen – die lassen sich garantiert nicht unterkriegen.

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