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Ein "Celviano Grand Hybrid" von Casio (links) und ein Bechstein-Flügel, Seite an Seite im Berliner Konzerthaus

© Casio

Das E-Piano auf dem Vormarsch: Liebling, ich habe das Piano geschrumpft

In modernen Digitalpianos stecken extrem leistungsfähige Computer: Jetzt können sie sogar wie ein echter Bechstein-Flügel klingen.

Wenn Martin Moritz deutlich machen will, welche Entwicklung E-Pianos seit den achtziger Jahren durchlaufen haben, zeigt er gerne das Foto eines 30 Jahre alten Apple-PC. Was die Firma Casio heute als „Celviano Grand Hybrid“ auf dem Markt hat, will der Marketingmanager des japanischen Herstellers damit sagen, entspricht demnach einem iBook. Auch wenn der Vergleich etwas hinkt – weil es sich beim Computer um ein technisches Gerät handelt, beim Klavier aber um ein Kunsthandwerkobjekt –, ist es in der Tat erstaunlich, was mittlerweile im Digitalpiano-Segment alles möglich ist.

Aus den Plastikkästen, die so klangen, wie sie aussahen, sind raffinierte, elektronisch hochgerüstete Chamäleons geworden. Beim Premium-Produkt von Casio sind die Tasten aus Holz gefertigt und es gibt eine Anschlagsmechanik wie beim traditionellen Flügel, also mit Hämmern und Gewichten – nur dass der Ton, der erklingt, eben kein natürlicher ist, sondern ein gesampelter.

Im Fall des „Grand Hybrid“ kann der Spieler sogar zwischen den Klangspektren von drei echten Flügeln wählen. Die Firma Bechstein hat für den „Berlin Sound“ offiziell mit Casio zusammengearbeitet, beim „Hamburg“ und „Vienna Sound“ kann sich jeder leicht zusammenreimen, dass hier Instrumente von Steinway und Bösendorfer das Material für die akustischen Abbilder geliefert haben.

Aus dem kleinen schwarzen Kasten für 3000 Euro tönt also auf Knopfdruck beispielsweise der Klang eines Bechstein B282-Konzertflügels, der 120 000 Euro kostet. Und zwar durch sechs Lautsprecher, die so angeordnet sind, dass die Schallwellen wie beim Vorbild sowohl nach oben, nach vorne als auch nach unten abgestrahlt werden.

Warum sind die Designer der Digitalpianos nicht mutiger?

Solange das Original nicht danebensteht, verblüfft das Digitalpiano auch den Fachmann wirklich. Im direkten Spielvergleich allerdings wird deutlich, dass ein Ton, der durch eine schwingende Stahlsaite im großen Resonanzraum des Flügels hervorgebracht wird und sich natürlich im Raum ausbreitet, doch sehr deutlich mehr Fülle und Tiefe hat als das Sample.

Als Konkurrent im Konzertsaal sind die Digitalpianos jedoch auch gar nicht gedacht. Sondern vor allem für den Privatgebrauch, als Alternative für Großstadtmenschen mit kleinen Wohnungen, in denen es auf jeden Zentimeter ankommt. Oder für moderne Nomaden, die ein 77,5 Kilo schweres „Celviano“ leichter mitnehmen können als einen 540 Kilo schweren D282 von Bechstein. Auch in kleinen Cocktailbars oder auf Kreuzfahrtschiffen kann man sich das Instrument vorstellen, ja sogar in finanziell knapp gehaltenen Stadttheatern als Arbeitsgerät für die Probenpianisten.

Nur über die Optik ihrer Produkte sollten sich die Digitalpiano-Bauer noch ein paar Gedanken machen. So, wie sie jetzt aussehen, möchte man spontan ausrufen: Liebling, ich habe das Piano geschrumpft! Weil die Anmutung zwar die eines klassischen Klaviers ist, nur eben ohne den Aufbau, in dem sich dort die Mechanik verbirgt. Gerade einmal 49 Zentimeter tief und 96 Zentimeter hoch ist das zierliche Ding – also fast einen halben Meter niedriger, als man das von Großmutters Erbstück gewohnt ist, und in der rückwärtigen Ausdehnung 15 Zentimeter schmaler. Hoch gewachsene Spieler wirken da leicht wie Schroeder von den Peanuts. Wenn das Innenleben schon komplett futuristisch-elektronisch ist, warum gestalten die Designer das Gehäuse dann nicht mutiger? Also spacig statt spießig.

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